It’s dark, yet the night is gone
It’s cold, yet the ice has melted down
Your blackened lung, your weakened tongue, I swear that I have seen them
Oh, lock me up in your grown-up heart
(Maximilian Hecker – Holy Dungeon)
Maximilian Hecker kennt man als einen der erfolgreichsten deutschen Pop-Exporte des neuen Jahrtausends, dessen Debütalbum „Infinite Lovesongs“ es 2001 sogar in die New York Times auf die Liste der besten Alben des Jahres schaffte. Fast zehn Jahre ist das nun her, und bei Hecker scheint sich einiges getan zu haben. Die neue Platte trägt den bedeutungsvollen Titel „I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son“ und erzählt von Heckers persönlichem Tiefpunkt, den er 2008 auf einer Japan-Tour erreicht.
Er fühlt sich zu dieser Zeit selber in einem Strudel aus Druck, übergroßen Erwartungen und seinem persönlich empfundenen Versagen gegenüber dieser Erwartungen gefangen, als er auf eine japanische Prostituierte namens Nana, der auch ein Song auf dem Album gewidmet ist, trifft. Diese Begegnung beschreibt Hecker als ein Erweckungserlebnis – er rasiert sich von nun an nicht mehr, trägt nur noch Jogginghosen und beginnt, sich auf den Kern seines Daseins als Musiker zurückzubesinnen: er geht auf die Straße und spielt dort stundenlang, fast schon rauschartig für die Passanten, ja vielmehr eigentlich für sich selber. Heraus kam dabei das neue Album.
Um es vorweg zu sagen: Das Album ist großartig. Eine Platte wohl, die polarisiert – man wird sie lieben oder hassen – aber eins kann man ihr nicht absprechen: sie ist durchweg authentisch. Aufgenommen in einem Homestudio in Heckers Wohnzimmer, oft nur mit einem einzigen Raummikrofon, schafft er mit diesem Album dreizehn Songs voll zeitloser Schönheit; ein Kleinod an verletzlichen, zarten Liedern, die einen tief berühren, wenn man es zulässt.
Songs wie „Holy Dungeon“ graben sich tief in den Gehörgang und auch wenn einen die rohe Produktion, der ungeschliffene, fast schon liveaufnahmenartige Sound am Anfang irritieren kann, ist er, wenn man sich nach mehrmaligem Hören daran gewöhnt hat, doch mitverantwortlich für die spezielle Direktheit der Songs. Im Großen und Ganzen hat Hecker seinen Stil nicht verändert – es handelt sich immer noch um akustische Klavier- oder Gitarrensongs, die hauptsächlich von Heckers Stimmer getragen werden. Highlights sind neben dem schon erwähnten „Holy Dungeon“ das fast schon fröhliche „The greatest Love of all“, „You’ll come home again“, das Hecker fast flüsternd zur Pianobegleitung vorträgt sowie „Nana“, der heimliche Titelsong des Albums, der von seiner Begegnung mit der japanischen Prostituierten erzählt.
Das Album lässt einen in seiner Reduziertheit keinen Zweifel daran haben, dass es für großartige Songs manchmal einfach nicht viel mehr braucht als ein Klavier oder eine Gitarre, eine gute Melodie und diese Stimme Heckers, die schwankt zwischen Zerbrechlichkeit, Stärke und einer sehr greifbaren Traurigkeit..
Die öffentliche Vermarktung der persönlichen Tiefen in Heckers Leben mag einen nerven oder fast schon fremdschamartig berühren – wie er Erlösung in meditativer Straßenmusik und dem Treffen mit der japanischen Prostituierten findet, kann einem klischeehaft und berechnend vorkommen – doch wenn diese Dinge tatsächlich verantwortlich sind für ein so ehrliches und aus tiefstem Herzen gefühlvolles Album, mag man Heckers Gang mit seinen intimsten Gedanken und Gefühlen in die Öffentlichkeit auch akzeptieren und als Teil einer Selbsttherapie des empfindsamen Künstlers verstehen.
Maximilian Hecker – I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son
VÖ: 26. März 2010, Blue Soldier Records / Rough Trade
http://www.maximilian-hecker.com
http://www.myspace.com/maximilianhecker
httpvh://www.youtube.com/watch?v=2jafFKXFPUw