Ich tausche was ich bin und war
gegen ein Leben ohne Angst vor der nächsten Telefonrechnung,
dem Zahnarzt, der Liebe oder dem Tod.
In diesem Kopf ist kein Platz mehr.
(Gysbert zu Knyphausen – Morsches Holz)
Gisbert zu Knyphausen, der melancholische Hamburger Singer-/Songwriter mit dem elitären Namen, hat Ende April sein zweites Album veröffentlicht. Musikalisch durch die Zusammenarbeit mit seiner seit dem ersten Album zu seiner festen Begleitung gewordenen Band hat sich die (zwar immer noch sehr reduzierte Instrumentierung) zu einem kompakteren Sound gewandelt, der dunkler und ausgefeilter klingt.
Die Texte sind immer noch Knyphausens große Kunst. Lakonisch, tragisch, melancholisch – aber immer mit einem Schuss Hoffnung singt sich der mittlerweile in Berlin lebende Knyphausen durch Songs wie zum Beispiel das großartige „Kräne“, in dem er die Hafenlandschaft in Hamburg mit einer sehr sensiblen Metaphorik beschreibt: „Auf die gewaltigen Tiere / mit metallenen Krallen / mit Neonlicht-Augen / Und die Container, die fallen / unter grandiosem Gepolter / in den hungrigen Bauch / eines uralten Frachters / und mein Herz, es poltert auch.“. Wohl der beste Song des Albums.
„Grau, grau, grau“ fängt langsam und leise an, doch die Unzufriedenheit und der Unmut Knyphausens, der sich im Text zeigt, spiegelt sich auch in der Musik wieder, die sich immer mehr und lauter aufbäumt und schließlich mit einer wildgewordenen Gitarre endet, über die Knyphausen von dem Bedürfnis nach Neuanfang singt. Ebenfalls empfehlenswert sind die Ballade „Nichts als Gespenster“ und „Die Stille auf dem Rastplatz“.
Viele Songs sind musikalisch nur guter Durchschnitt und erinnern an einigen Stellen vielleicht doch zu stark an die Kollegen wie Kettcar oder Element of Crime, die Knyphausen durchaus zu seinen Inspirationen zählt – und da ist es manchmal schwer, eine Eigenständigkeit zu erkennen. Einige Songs des Albums sind jedoch vor allem textlich wirklich erstklassig. Knyphausen ist ein Texter von seltenem Talent, der es schafft, seine Gefühle so treffend und poetisch in einen Popsong zu fassen, wie kaum ein anderer deutscher Künstler.
Gisbert zu Knyphausen – Hurra! Hurra! So nicht.
VÖ: 23. April 2010, Pias Germany
http://www.myspace.com/gisbertzuknyphausen
Gisbert zu Knyphausen – Melancholie
Gisbert zu Knyphausen | MySpace Music Videos