Auf die Frage zum besten Erlebnis 2010, antwortete Eric Javelle von der französischen Band Baden Baden in unserem Interview (hier zu lesen) mit “Listening to “Sweeping Willow” from Sébastien Schuller and crying“. Das war uns schon Tipp genug, sodass wir uns direkt “Evenfall” von Sébastien Schuller besorgt haben…und ja wir hätten am liebsten geweint. Also vor Glück, denn die Song-Gebilde des französischen Multi-Instrumentalisten rufen nicht ohne Grund immer wieder Vergleich zu Radiohead, Sufjan Stevens, Talk Talk oder Beirut auf. Wir schmeißen mal noch ein paar mehr hinterher: The Notwist (auf “Neon Golden” zumindest) und Sigur Rós….Doch fangen wir vorne an:
“Morning Mist” begrüßt die Hörer von “Evenfall” mit eindringlichem Piano, bis Schuller mit Thom York-ähnlichem Gesang einsetzt – eine Ballade wie aus dem Lehrbuch. “Open Organ” steht dem nichts nach, zeigt sich aber verspielter, variabler und nach einem zweiminütigen Intro auch noch poppiger – eine Ausnahmeerscheinung, im Vergleich zum ansonsten eher ruhigeren Album. “Balançoire” nimmt dagegen die Fahrt wieder etwas raus, verbindet Piano, Drums, Samples, Streicher und Schullers Gesang zu einem Sigur Rós-ähnlichem Song.
“Awakening” zeigt wieder eine andere Seite von Schullers Schaffen: zwar musikalisch und atmosphärisch wieder nah am Opener “Morning Mist“, spielen Glöckchen, Harfen und Ziehharmonika bis zum (für Schuller-Verhältnisse) Crescendo, das gänzlich ohne Gesang auskommt. “The Border” rechtfertigt die Beirut-Vergleiche, fällt aber ansonsten gegen die anderen Songs der Platte eher Richtung Mittelmaß ab. “Battle” erinnert fast schon an eine Elektronica-Version von Caribou bzw. ebnet den Weg für “New York“, den majestätisch/gespenstisch schwebenden, einzigen Instrumentalsong der Platte, der nur mit etwas Summen gegen Ende angereichert wurde und mit 2:27 Minuten weit unter der sonstigen Songlänge der Platte liegt. Zum Ende kommt dann der Radiohead-Einfluss Schullers noch mal richtig zum Vorschein: “Last Time” plänkelt lange vor sich hin, bis sich der Song im letzten Viertel samt Drum-Samples und Gitarre hochschaukelt, um dann in einem abfallenden Gesangs-Wirr-Warr zu enden. “Midnight” dagegen lässt Schullers bis ins Extrem verhallte und veränderte Stimme über Piano und Samples stehen, bis der Beat einsetzt. Abschließen tut die Platte mit “High Green Grass“, einem Song in dem der Gesang über der Musik steht, während ein wabernder Teppich aus Piano und Geräusch unterliegt, nur um sich dann wieder zu entfernen, der Musik mehr Raum zu geben, sich vielleicht gar zu verabschieden. Ein gelungener Abschluss einer großen Platte, zu der man Weinen möchte, dessen melancholische Schönheit man wahrscheinlich am besten alleine und per Kopfhörer genießen kann bzw. zu der man immer wieder zurückkehren möchte!
Sébastien Schuller – Evenfall
VÖ: 9. Oktober 2009, Village Vert
www.myspace.com/sebastienschuller
sebastienschuller.com
httpv://www.youtube.com/watch?v=Q__IK_S3c00