Einen Abend Wahnsinn gegen tausend Jahre Stumpfsinn – nimm meine Hand und sei dabei, liebe Silvie!
(Meise – Was kostet die Welt)
Wenn man im Lexikon nach “Jemanden, dem die Welt und geschätzt 98% der Bewohner dieser auf den Sack gehen” suchen könnte, würde man wahrscheinlich ein Bild von Meise dort abgebildet finden. Und auf die Frage nach seinem Namen und ob er denn eine habe, kann Meise auch nur noch milde lächeln – fällt denn eigentlich niemandem mehr ein guter Witz/Wortwitz ein? Naja, richtig heißt Meise eigentlich Tobias Meissner, wohnhaft in Berlin und gerade auf reisen, denn er hat geerbt. Sein Vater ist gestorben, der Vater, den er eigentlich nur noch als nörgelndes und jähzorniges Wesen der Vergangenheit in Erinnerung hat, der geizig das Geld zusammengehalten hat und sich nie mal etwas gegönnt hat. Und so macht Meise genau das – er gönnt sich mal etwas und reist durch die Welt, das Konter-Andenken seines Vaters so gesehen. Monate später zurück in Berlin ist immer noch etwas von den 15.000 Euro über – Zeit für eine letzte Reise! Diese Reise soll ihn nachdem er ausgiebig die Welt bereist hat, ins beschauliche Renderich führen, zu Fremden – alles ist ihm lieber als das Bekannte und seine Bekannten. Also Zug statt Flug, Dorf statt Stadt und doch wieder nur Langeweile auf dem Weingut eines erst kürzlich kennengelernten Typens. Vielleicht doch mal über die Sackgasse, die man sich als Lebensweg zurecht gelegt hat nachdenken, oder lieber weiter den größeren und kleineren Neurosen nachhängen und in einem Anflug von trunkenem Größenwahn die gesamte verdoofte Dorfjugend abbrennen?
Was haben wir gelacht während der Lesung zu Linus Volkmanns letzten Roman “Endlich natürlich” – über diesen komische Charakter, zwischen Neurose und gezielt, ungezieltem Hass. Und was haben wir gelacht bei den Auszügen aus dem neuen Roman seines Kollegen Nagel, ehemals Rampenkind von Muff Potter. Mittlerweile braucht es keiner Auszüge mehr, “Was kostet die Welt” gibt es ganz legal im Buchhandel zu erwerben und im Nachhinein könnte es kaum eine bessere Kombination einer Lesereise als das Neurosen-Hass-Schwert-schwingende Köln-Berliner Duo Nagel-Volkmann geben. Beide legen in ihren neusten Werken den Fokus auf Außenseiterfiguren, die den Leser von Beginn an mit beißendem Humor und zynischen Spitzen im Nu für sich gewinnen. Wer hat nicht schon mal die Dorf-Blödheit verflucht und sich über die dortige Jugend, mitsamt schlechtem Musik-/Kleidungs-/Feier-Geschmack gewundert? Das Ganze durch die Augen eines gefühlten Terminators, aber eines gelebten Loriots gesehen, sorgt für vergnügliche Stunden…und ja – wir nehmen deine Hand!
Was kostet die Welt von Nagel
320 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3453266872
Heyne Hardcore, 27. September 2010 (1. Auflage)
16,99 €
httpvh://www.youtube.com/watch?v=3ogs8Sm-atQ