A HOLE IN MY HEART – Filmkritik

Es ist ganz schön eng hier drin.

(Tess – A Hole In My Heart)

Was einem zu erst in den Sinn kommt, wenn man diesen Titel hört, ist der gleichnamige Song, den Cyndi Lauper 1988 zu einem Film beisteuerte, in dem sie selbst mitspielte. Die ersten Zeilen des Stücks

I’ve got a ticket, no turning back
My destination…The sea of trouble, the land of pain

treffen ziemlich genau ins Schwarze, was den Film des schwedischen Regisseures Lukas Moodysson anbelangt, denn auch die vier Figuren des Films sind in einem Land angekommen, aus dem sie keinen Rückweg mehr finden und das nichts als Schmerz verspricht oder in dem sie zumindest nicht finden, was sie schmerzlich suchen: Liebe.

Rickard, Gecko und Tess sind ein ziemlich heruntergekommenes Trio. Sie behausen eine kleine Sozialwohnung und vertreiben sich die Zeit mit Videospielen, Hanteltraining oder trinken. Aber ihre Lieblingsbeschäftigung ist das Drehen von Amateurpornos. Meistens sind die Rollenverteilungen klar: Tess, die sich erst kürzlich einer plastischen Vaginaloperation unterzogen hat, um vor der Kamera besser auszusehen, unterwirft sich den sexuellen Phantasien von Rickard und Gecko, wobei Rickard Regisseur und Arrangeur der erniedrigenden Inszenierungen ist und Gecko – an der Oberfläche ein chauvinistischer Macho – die ausführende Instanz. Nur selten greift Rickard selbst in die abgründigen Spielchen ein. Und dann ist da auch nicht Eric, Rickards Sohn, der die meiste Zeit in seinem abgedunkelten Zimmer verbringt, schwarze Klamotten trägt und Noise-Musik hört.

Erzählt werden nur einige wenige Tage, vielleicht nur ein Wochenende, aber es reicht, um ein dystopisches Bild zu zeichnen, das in seiner Hoffnungslosigkeit kaum erträglich ist. Und doch: man schaltet nicht aus bei dem Anblick der sich quälenden Protagonisten, obwohl die Abscheu auf mehreren Ebenen groß ist. Eric hasst seinen Vater, der widerum um die Aufmerksamkeit seines Sohnes buhlt, weil sein Sohn das Einzige ist, was ihm nach dem Tod seiner Frau geblieben ist. Der frauenverachtende Gecko, bei dem die Missachtung durch seine Mutter traumatische Spuren hinterlassen hat und schließlich Tess. Die 21-Jährige ist getrieben von der Suche nach Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit, sie träumt seit ihrer Kindheit davon, Pornos zu drehen und groß raus zu kommen. Doch die Chancen stehen schlecht.

Deutungsangebote macht der Film durch seine äußerst komplexe Gestaltung viele. Ein Leichtes wäre es zweifellos, den Film einer psychoanalytische Interpretation zu unterziehen, aber das Offensichtliche scheint hier zu banal. Außerdem macht der Film dieses Angebot zu offensiv: während einem der wenigen Gespräche zwischen Eric und Rickard analysiert der intelligente Sohn seinen Vater und entlarvt seine latente Homosexualität. Die Deutungshoheit also hat der teilnehmende Beobachter, Eric, der Voyeur, der zwar um die Perversionen weiß, die sich vor seiner Nase abspielen, aber nicht umhin kann, doch einen Blick zu riskieren. Wir folgen der Kamera, die oft ein Eigenleben führt und an den Kanten der Zimmer nach Auswegen zu suchen scheint, letzlich aber auch keine aufzeigen kann.

Der realistische Stil, der vor allem durch die Aufname in DV begründet ist, erinnert dabei stark an Dokumentationen oder Nachrichtenbilder, immer nah dran an den Akteuren, wie Paparazzi, die auf den Sturz der Stars warten. Und tatsächlich bekommen wir den Zusammenbruch gezeigt, auf den alles zusteuert. Man kann hier doch eine heftige Medienkritik lesen, die sich vor allem auf die Zuschauer und den medialen Konsumenten richtet. Wir bekommen nur gezeigt, was wir sehen wollen. Nicht umsonst überfluten Reality-Shows das TV-Programm und Pornoproduzenten stehen unter kreativem Zugzwang, da sie den Bedürfnissen kaum noch gerecht werden können.

Der Film selbst versucht alles, um sich den medialen Mechanismen zu widersetzten, die vorallem Mechanismen der Popindustrie sind. Marken werden unkenntlich gemacht, sogar die Gesichter der Schaupspieler für kurze Momente, der Aufbau von Illusion verhindert, durch den Blick in die Kamera der Figuren.

Am unerträglichsten ist allerdings die Performativität, durch die der Zuschauer auf sich selbst zurückgeworfen wird und mit seiner eigenen Rolle im medialen Zusammenhang konfrontiert ist.

A Hole in My Heart (SWE 2004)
Regisseur: Lukas Moodysson
Darsteller: Thorsten Flinck, Bjorn Almroth, Sanna Brading, Goran Marjanovic
VÖ: 27. Oktober 2011, Euro Video

httpvh://www.youtube.com/watch?v=SLH410nnTFw