GEORGE HARRISON: LIVING IN THE MATERIAL WORLD – Filmkritik

George Harrison: Living In The Material World - Filmkritik

George Harrison: Living In The Material World - Filmkritik

“I wanted to be successful, not famous.”

(George Harrison)

George Harrison war auch als der stille Beatle bekannt und stand immer im Schatten der genialen Posterboys John Lennon und Paul McCartney. Zu seinem zehnten Todestag erschien im November letzten Jahres das von Martin Scorsese gedrehte Biopic ‘Living In The Material World‘, das sich dem Leben des ehemaligen Beatle widmet.

‘Living In The Material World’ ist weder Requiem noch posthume Ikonisierung. Scorsese schafft es auf über 3 Stunden Harrisons Humor, seine Rolle bei den Beatles, seine Entwicklung zum Songschreiber, seine Drogenerfahrungen und seine spirituelle Suche, den Einfluss Ravi Shankars und der indischen Musik, das 71er Bangladesch Konzert, seine Liebe zum Gärtnern und zur Ukulele, die Traveling Wilburys und schließlich seine Krebserkrankung zu beschreiben. Durch die Vielfältigkeit der angesprochenen Attribute und Einflüsse wird schnell klar, dass man es hier mit einem kompletten Querschnitt durch ein aufregendes Leben zu tun hat, wie es vielfältiger nicht sein könnte. Zahlreiche Ausschnitte aus privatem Filmmaterial und eine Menge nie oder nur sehr selten gezeigte Auszüge aus Liveaufnahmen und Interviews machen ‘Living In The Material World’ auch für den versierten Beatles Fan interessant. Man sollte sich hier jedoch keine komplett neuen Erkenntnisse erhoffen, da besonders die Beatles Ära durch schon bekannte Anthology Aufnahmen dargestellt wird. Doch genau an der richtigen Stelle biegt man dann ab, um sich George Harrisons Person und seinem stetig andauernden inneren Kampf zu widmen. Es ist kein Geheimnis, dass Harrison unter Lennons Vorherrschaft litt, der wohl sein Gitarrenspiel schätzte, aber nicht den Umstand, ein so junges Mitglied in der Band zu haben. Doch neben den Beatles kommen auch zahlreiche andere Weggefährten und Freunde des Ex-Beatles zu Wort, darunter Eric Clapton, Terry Gilliam, Eric Idle, George Martin, Yoko Ono, Tom Petty, Phil Spector, Jackie Stewart und Jane Birkin. Gerade an diesen Stimmen der Freunde merkt man, dass hier keine Heldenverehrung fabriziert wird: Es wird freimütig geäußert, dass Harrison neben seinem sanften, liebe- und humorvollen Wesen auch eine dunkle Seite hatte, die sich in Wutausbrüchen äußerte, und Olivia Harrison lässt durchblicken, dass die offensichtlich vorhandene Anziehungskraft zwischen ihrem Mann und der Damenwelt das Eheleben oft auf eine harte Proben stellte.

Martin Scorsese, der schon erfolgreich Dokumentationen über The Band, Bob Dylan und die Rolling Stones drehte, schafft es mit ‘Living In The Material World’ dem unterschätzten Beatle George Harrison die Aufmerksamkeit einzuräumen, die er verdient hat. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, denn leider kommt seine Solokarriere als Musiker eindeutig zu kurz. Besonders am Ende wird die Dokumentation sehr emotional, wenn Paul und Ringo sich an ihren Abschied von George erinnern und Olivia Harrison über den Mordversuch des geistig Verwirrten berichtet, der versuchte, ihren Mann zu töten. Laut Sohn Dhani kostete der Vorfall seinen Vater im Kampf gegen den Krebs Jahre. Scorsese ist eine sorgfältige, liebevolle und auch persönliche, aber nicht verklärende Dokumentation über George Harrisons Leben gelungen, die weder spektakulär, noch voll von reißerischen Rockstar-Anekdoten ist, von denen es ohne Frage genug gäbe. Aber genau dieser Ansatz passt auch zu der eher ruhigen Lebensweise von George Harrison und so kann man ‘Living In The Material World’ nur als mehr als gelungenes Mammut-Biopic bezeichnen.

George Harrison: Living In The Material World (USA 2011)
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: George Harrison, Paul McCartney, John Lennon, Ringo Starr
DVD-VÖ: 8. Dezember 2011, STUDIOCANAL

Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

Mehr erfahren →