MONTAGSGEDANKEN – VIVA.

Ich bin traumatisiert. Was ist denn hier los, habe ich irgendwie Winterschlaf gehalten? Jedenfalls bin ich gestern Morgen zu früh aus selbigem aufgewacht, konnte einfach nicht mehr einschlafen, am ‚heiligen Sonntag’ und habe aus Verzweiflung VIVA eingeschaltet.

1.
Früher waren Musikvideos und deren Protagonisten definitiv sexier. Natürlich ist das Geschmacksache, aber selbst Michael Jackson war anregender als diese Alien-Freak-Show von Lady Gaga, Katy Perry und Co. Ekelhaft!

2.
Entschuldigung, aber rennen jetzt alle Hip-Hopper und ehemalige Gangsta Rapper in Glitzerleggins und Leoparden-Westchen herum und imitieren 1A Yelles „Tektonik-Dance“[1], der vor gefühlten 10 Jahren entstand?

Das soll alles so scheiße hip und up-to-date sein und ist gleichzeitig schon wieder so fucking out!

Gerade noch mit diesem Schock, angewidert und mit den ersten morgendlichen Erkenntnissen beschäftigt (beginnende AWD[2]), da flimmert auch schon das nächste Paradebeispiel in Sachen Trittbrettfahrerei, die Black vocodered Eyed Electro ähh Peas über die Mattscheibe. Kann denn eigentlich niemand mehr seinen Roots treu bleiben? Zugegeben, die Jungs hatten sich bereits seit dem Dazustossen von Fergie als Fähnchen im Winde der Musikindustrie bewiesen. Das langjährige Aufspringen auf jeden Zug des Popgeschäfts war vorauszusehen wenn nicht sogar besiegelt, aber das wäre mit Sicherheit stilvoller gegangen. Man muss ja nicht gleich den Dirty Dancing Klassiker[3] verwursten. Es ist schon schlimm genug, dass dieser, in die Jahre gekommene, Evergreen auf sog. Gut-Druff-Parties[4]  im Original läuft. „Pop am Rande der Erschöpfung!?“[5]

Ich schlafe endlich auf dem Sofa ein, träume von Autoscooter-Elektro. Nein, nein, weg damit, ich will nicht… aber was machen? Niemand kommt da mehr raus, auch ich nicht. Emma alias EmLeCreme läuft in Glitzerleggins und Kuhfellimitat an mir vorbei hinters Pult: „Doris, whatever it is, it has to be sexy! You don’t want no drama?!“.

Schweißgebadet erwache ich, die Kiste flimmert immer noch. Tatort fängt gleich an, Gott sei Dank!
Ihr lest Montagsgedanken- Tagebuch einer DJane. Mein Name ist Doris Vöglin.

 


[1] Yelle- A Cause De Garcons (Tempr. Remix), 2007, Kitsuné.

[2] After Weekend Depression

[3] Bill Medley & Jennifer Warnes- (I Had) The Time Of My Life, 1987.

[4] Parties in Großstädten, mit ausuferndem Partypeople-Speckgürtel. Das Einzugsgebiet für Veranstaltungen dieser Art erkennt man an den Front- und Heckspoilern der Autos in der Tiefgarage.

[5] Reynolds, Simon (2011). Retromania. Faber & Faber.