Zur Abwechslung eine Auflege-Begegnung der etwas anderen Art.
Hingegen den üblichen Forderungen (höfliche Bitte kann man das meist nicht mehr nennen), kam ein Gast auf mich zu und winkte mich zu ihm heran: „Kannsde ma bisschen weniger Bass machen!“ Das ganze geschah, by the way und nebenbei bemerkt im Darmstädter Hillstreet Club, wo einem erfahrungsgemäß nicht gerade die Hosenbeine vor lauter Basswellen flattern, sondern vor Höhen und Mitten eher die Ohren klingeln.
Seither male ich mir aus, dass dieser nette Herr, wo auch immer er ein Etablissement mit musikalischer Umrahmung betritt, immer zuerst den Auslöser dieses Übels, also den DJ aufsucht, um ihn oder sie auf das Bassproblem aufmerksam zu machen. Dies tut er nicht, weil es ihn besonders stört, er Ohren sausen davon trägt oder eine, nach einer Kriegsverletzung befindliche Platte in seiner Schädeldecke anfängt schmerzhaft zu vibrieren, nein dieser Herr tut das einfach, weil es eine Angewohnheit mit großem Wiedererkennungswert ist. Ein auditives Wahrnehmungssyndrom schließe ich aus.
Pfauen haben unheimlich schöne Federn, andere Männchen imposante Hörner, manche Vögel werben mit schönem Gesang und ausschweifender Farbenpracht. Ja meine Güte, da müssen sich doch auch Männchen unsere Gattung was einzig Artiges einfallen lassen um nachhaltig in der Brunftzeit bestehen zu können. Mir ist diese kurze Begegnung jedenfalls in Erinnerung geblieben und ein leichtes Schmunzeln liegt auf meinen Lippen, über den besonderen Charme so manchen Darmstädters.
Tacheles, dieser Herr mit Kopfbedeckung hat sich mit wenigen Worten des Halbwissens aufs Glatteis begeben und sich somit als Wichtigtuer und Stammgast mit „Chefbekanntschaftkomplex“[1] innerhalb kurzmöglichster Zeit selbst im Eissee versenkt. Leider gibt es immer noch viel zu viele Männer im mittleren Alter, die besonders nach zwei drei Bier oder einer Brise Schneeberg, meinen sie müssten dem „Dingelchen“ da hinterm Pult mal einen Tipp geben.
Ähnliches nerviges Verhalten erfährt man sonst nur bei angesagten In-Teenie-Gören, die es mögen das DJ-Opfer ihrer Wahl subtil herauszufordern, indem sie sich ein Lied wünschen, dass der DJ mit größt möglicher Wahrscheinlichkeit nicht hat und von einer Band stammt deren Namen unaussprechlich, unverständlich und wahrscheinlich nicht existent ist. Wo haben diese Mädchen nur diese Selbstverständlichkeit ihres Daseins her, diese Selbstüberschätzung. Nie im Leben hätte ich mir so etwas herausgenommen, ich war in diesem Alter froh es überhaupt am Türsteher vorbeigeschafft zu haben und habe mich gegenüber Beschäftigten des Clubs (Thekenpersonal, Klofrau und vor allem DJs) so unauffällig wie möglich verhalten. Irgendwie hatte die Jugend früher sowieso mehr Respekt vorm DJ, kein Wunder, dass man heute den Aufleger optisch durch eine kleine Festung hochstilisiert um sie oder ihn vor den Quängel-Girls zu schützen. Ihr könnt euch auch nicht vorstellen, wie schwer es für DJanes sein kann, nach einer Pinkelpause wieder auf die schützende Burg hochzukommen. Mehrere breitschultrige Männer und Girls mit Songwunsch verstopfen in Türstehermanier dann den schmalen Eingang und keiner kommt auf die Idee, das Mädel, dass gerade versucht durchzukommen, einmal durchzulassen („Was will die denn, ich steh hier auch an also stump nich so!“). Manchmal hat man als Frau in diesem Zusammenhang aber auch Vorteile, da zuerst alle Männer hinterm Pult (Lichttechnik, Visuals und herumstehende Bekannte) mit unmöglichen Songwünschen angelabert werden, bevor die Halbstarken auf die Idee kommen, die Musik könne von den beiden, in der Mitte am Mischpult befindlichen Frauen aufgelegt werden. Zum Glück sind diese Nervensägen spätestens um Zwei Uhr, weil von Erziehungsberechtigten eingesammelt und nachhause kutschiert, nicht mehr am DJ-Pult anzutreffen.
Warum kommt nicht mal jemand und sagt: „Hey DJ, put the record on, I want to dance with my baby”[2] oder “DJ, play this song a little louder”[3].
OK, ich gebe zu, das wäre auch irgendwie seltsam, aber es gibt tatsächlich mindestens genauso oft sehr charmante und musikalisch passende Anfragen, die in den meisten Fällen so anfangen: „Tschuldigung darf man sich denn bei dir auch etwas wünschen?“. Leider wäre es langweilig gewesen, darüber zu berichten.
Ihr lest Montagsgedanken- Tagebuch einer DJane. Mein Name ist Doris Vöglin.
[1] Chef, Thekenpersonal und Stammgäste werden ausufernd mit Einschlagen und Rückenklopferei begrüßt. Man kennt sich und ist aus diesen Gründen ein Gast mit Mitbestimmungsrecht. Veränderungen, neue Gesichter, neue Musik werden mit Gleichgesinnten sehr kritisch auf Tauglichkeit überprüft.
[2] Madonna – Music
[3] Amanda Blank – DJ