But now that you’re gone, my life goes on.
(Dark Dark Dark – Patsy Cline)
Was ist heute noch Privat? Im Rahmen von Facebook-Exhibitionismus, Interweb drölf.null und generell im visuellen Kontext wurde diese Frage schon oftmals diskutiert. Der Kunsthalle Schirn reicht das momentan aktuelle Thema sogar für eine komplette Ausstellung. Fotografien, Handyfotos, Objekte, Installationen und Filme stehen hier im Mittelpunkt. Ob auch in der Musik die schmerzlich fragile Grenze zwischen dem Eigenen und dem Anderen überschritten werden kann, versuchen Dark Dark Dark mit ihrer neuen LP ‘Who Needs Who‘ auszuloten.
Oftmals ist mit zerbrochenen Beziehungen unter Bandmitgliedern der finale Exitus der Gruppe besiegelt. Nicht so bei den Amerikanern von Dark Dark Dark: Nach der Trennung der Gründungsmitglieder Nora Marie Invie und Marshall LaCount legte das Sextett eine mehrmonatige Pause ein. Um dann doch wieder zusammen ein Album aufzunehmen. Auf ’Who Needs Who’ setzt sich die Band mit eben dieser Trennung auseinander.
Die erste Single ‘Tell Me‘ behandelt Verlangen und Sehnsucht nach den guten Zeiten der Beziehung. Damit einher geht unumgänglich auch ein Funke Reue, sowie ein Anzweifeln der Entscheidung. „I want to live in the time when you cherished me. Oh, to go back to the place, when you hands moved over me. Tell me it’s there, just beyond me. Tell me you’re saving it for me.“ Invie‘s Texte sind auf ‘Who Needs Who’ deutlich klarer zu fassen als noch auf ‘Wild Go‘, die Metapherdichte ging deutlich zurück. Ein Umschreiben wäre bei diesem Maße an Direktheit und Ehrlichkeit jedoch ohnehin fehl am Platz. In ‘Patsy Cline‘ folgt schon die Einsicht: „But now that you’re gone, my life goes on“. Zu einem cinematisch-punktierten Piano wird hier die bittere Realität besungen. Danach das wunderbare ‘How It Went Down‘, der beste Song auf ‘Who Needs Who’. Permanente Spannung liegt in der Luft. Minimale Instrumentalisierung, emotionales Knistern. „I am young and you are young and we grow. Now you are young and it feels like I’ve grown old. So take your time, my feeling ’round you can be so cold. Take your time, I’ll see you somewhere when seasons unfold.“ Damit ist alles gesagt!
Piano und Klavier wechseln sich immer wieder im Mittelpunkt der Songs ab. Mal steht das helle Tasteninstrument, mal die goldig-zerbrechliche Stimme im Rampenlicht. Um diese Anker ranken sich kleine Melodien aus dem Baltischen, dem Chanson und sogar dem Polka. Für Abwechslung ist also gesorgt. Zusammengehalten wird ‘Who Needs Who’ durch das Konzept der Trennung. Dark Dark Dark kapitulieren gefühlvoll vor der Wahrheit und von Kitsch ist nichts zu hören. In seiner Gesamtheit ist ‘Who Needs Who’ ein tief berührendes Werk voll wunderschöner Musik.
Als Hörer kann man sich kaum vorstellen, wie es für Invie und LaCount gewesen sein muss, dieses Album aufzunehmen. Sich seiner emotionalen Vergangenheit so offen zu stellen erfordert Courage. Man kann ihnen nur dankbar sein, dass sie es gewagt haben. Auf die Spitze getrieben wird die Offenlegung jedoch bei Konzerten. Die Musiker in ständiger Konfrontation mit dem Erlebtem, ein offenherziges Ringen mit Gefühlen. Es hagelt Songs, die nicht nur über die vergangene Zeit, sondern auch vom aktuellen Status der beiden handeln. Es stellt sich die Frage ob jegliche Fotografie, jeglicher optische Reiz die selbe Eindringlichkeit und vor allem Eindeutigkeit beinhalten kann. Obwohl eine Vielzahl Musiker diese Grenze überschreiten, selten ist explizit von einer Öffentlichkeit des Intimen die Rede. Wieso eigentlich? Solange die schonungslose Zurschaustellung der Gefühlsebene so gekonnt gelingt, wie auf ‘Who Needs Who’, sollte viel öfter darüber geredet werden.
Dark Dark Dark – Who Needs Who
VÖ: 5. Oktober 2012, Melodic, Indigo
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