I can see you but my eyes are not allowed to cry…
(Julia Holter – Goddess Eyes)
Anfang Dezember 2012 veröffentlichte Domino Records ein Re-Release von Ekstasis, dem Zweitwerk der kalifornischen Popkünstlerin Julia Holter. Bislang war das Album in Europa trotz euphorischer Kritiken nur als nordamerikanischer Import erhältlich. Doch das Warten hat sich mehr als gelohnt.
Ekstasis ist ein avantgardistisches Kammerpop-Werk mit nerdigem Bildungsbewusstsein (es hagelt in den Texten Literaturanspielungen von Frank O´Hara bis Virginia Wolf) geworden. Doch was sich im ersten Moment nach hochtrabender E-Musik anhört, lässt sich auch ohne fundiertes Vorwissen genießen. Genau hier liegt die Stärke von Ekstasis – der Spagat zwischen Anspruch und Leichtigkeit wird ohne Probleme gemeistert. Man kann sich an den vielfältigen lyrischen sowie musikalischen Anspielungen erfreuen und in den sphärischen und geheimnisvollen Stücken versinken. Man kann aber auch die Musik in ihrer Simplizität und Natürlichkeit genießen. Selten hat es ein Musiker geschafft, solche kunstvollen und komplizierten Arrangements gleichermassen weich und fließend wie Wasser und Luft erscheinen zu lassen.
Die Faszination der Songs auf Ekstasis lässt sich nur unglaublich schwer in Worte fassen. Schicht um Schicht türmt die gelernte Cellistin in „Für Felix“ nacheinander gezupfte und gestrichene Saitenmelodie, einen stoischen Drone, gläserne Perkussion, leuchtende Synthesizer und nicht zuletzt ihren eigenen, wohl bemessenen Gesang aufeinander. Mantraartig werden die gleichen Motive mit an- und abebbender Intensität wiederholt, bis gegen Ende der Körper des Songs ausgehöhlt wird und sich der verbleibende Rest langsam auflöst. Dieser Wechsel, dieser Umschwung ist ein zentrales Element in ihren Songs. Auch „Four Gardens“ wendet nach ähnlich erhabenem Aufbau zur Mitte hin um. Julia Holters zuvor ätherisch schwebender Gesang rückt zu peitschendem, in Reverb gehülltes Schlagzeug ominös in den Vordergrund, während die Glockenspiel-Melodie verschwindet. Dafür treten beklemmend umherheulende Stimmen und ein jaulendes Saxophon auf, das auch dann nicht verstummt, als das Stück zu seinem anfänglichen Klanggefilde zurückkehrt.
“I hear a lot of music that’s just lazy – you know, people in their bedrooms singing some shit into the microphone.” sagte Julia Holter einmal in einem Interview mit Pitchfork. Ein Vorwurf, den man ihr in keinem Fall nachsagen kann. Julia Holter kann nahezu alles in Musik kanalisieren: Griechische Tragödie, Texte aus einem Kochbuch, klassische Philospohie, Fieldrecordings einer U-Bahn Klimaanlage oder murmelnde Chöre. Niemals wird ihre Musik in Konzepten ertränkt, sondern Soundexperiment und Songwriting wird da gelebt und synthetisiert, wo sie es für angebracht hält. Und so bewegt sich Ekstasis auf der hauchdünnen Grenze zwischen künstlerischem Anspruch und profaner musikalischer Unterhaltung, wie in diesem Jahr kein anderes Album. Chapeau Frau Holter!
Julia Holter – Ekstasis
VÖ: 14. Dezember 2012, Domino Records, Goodtogo
http://juliashammasholter.com
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