„Bist du es? – Ich glaube schon.“
(Flugbegleiterin zu Monsieur Oscar)
‘Holy Motors‘ war einer einer der polarisierendsten Filme aus dem Jahr 2012. Leos Carax inszenierte mit seinem ersten Film seit nicht weniger als 13 Jahren, eine surreale Scharade, in deren Mittelpunkt die wahnhafte und hoffnungslose Liebe zum Kino selbst steht.
Die Tür einer megalomanischen, weißen Limousine öffnet sich und heraus tritt Monsieur Oscar (Denis Lavant). Mal als verkrüppelte Bettlerin, mal als Killer, dann als sterbender alter Mann und auch als mitfühlender Vater. ‘Holy Motors’ ist ein mitreißender Mahlstrom, dessen einziger Anker, der sich ständig kostümierende und damit transmutierende Monsier Oscar ist. Seine wirkliche Profession ist genauso schwer zu fassen, wie der Inhalt des Filmes an sich. Oscar nimmt von einer ominösen Agentur Aufträge entgegen und befolgt konsequent deren Anweisungen aus den dünnen Umschlägen. Gegen Ende des Filmes erfährt man den Namen der Agentur: Holy Motors.
‘Holy Motors’ ist ein wilde Achterbahnfahrt, denn Leos Carax hat im filmischen Fundus gewühlt. Er zitiert wie im Wahn aus allen Genres von Science-Fiction bis Stummfilm, von Gangsterfilm bis Melodram und fördert dabei große Gesten und zärtliche Momente, aber auch Athletik, Action und als extrovertierter Klimax sogar eine Mega-Erektion zu Tage. Immer wieder kritisiert Leos Carax die Digitalisierung der Welt und damit auch die Digitalisierung des Kinos und der Kameratechnik. „Visit my website“, steht da auf einem Grabstein. Der Protagonist Oscar beschwert sich über die Veränderungen der Kameras und wie sie, durch ihre schwindende Größe und permanente Anwesenheit, zu Überwachungsapparaten verkommen. Carax selber erklärte in Interviews, dass er die digitalen Kameras verachte, weil sie sich aufdrängten oder uns aufgedrängt würden. ‘Holy Motors’ ist seine kryptische Erklärung zu den Metamorphosen des Kinos und darauf, dass die Apparate des 20. Jahrhunderts, zu denen auch die analoge Filmtechnik zählt, verschwinden. Schon die erste Einstellung gibt seinen und auch unseren Bezug zum Film wieder – im Endeffekt sind wir alle nur Zuschauer. Wir sind ja auch im Kino.
Was ist ‘Holy Motors’ also? In jedem Fall viel Geträumtes und die Gewissheit, dass das Reale und das Imaginierte im Kino nicht zu trennen sind. Carax buchstabiert Genres und Motive nicht einfach nach, sondern wählt mit reinstem Kalkül Elemente aus bestehenden Filmen aus, um sie zu etwas Neuem zu verbinden. Eigentlich wie bei Tarantino, nur eben weitaus assoziativer und ohne die führende Hand einer klaren Story. Everything is a Remix. Und vielleicht ist genau das die beklemmende Frage, die ‘Holy Motors’ stellt: Was macht uns als Mensch in ewiger Maskeraden-Odyssee überhaupt aus? Hat nicht jeder einen schier unerschöpflichen Fundus an Kostümen, aus dem er sich jederzeit komplett neu gestalten könnte? ‘Holy Motors’ verstört, irritiert, reißt mit, verblüfft, packt seinen Zuschauer mit radikalen, furchtlosen Bildern an der Gurgel und wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert. Kann Kino mehr erreichen?
Holy Motors (Frankreich, Deutschland 2012)
Regie: Leos Carax
Darsteller: Denis Lavant, Edith Scob, Eva Mendes, Kylie Minogue, Michel Piccoli, Zlata
DVD-VÖ: 5. April 2013 (Arsenal Filmverleih)
http://www.youtube.com/watch?v=KoQfXOaQsqw
In Zusammenarbeit mit Arsenal Film GmbH verlosen wir zum DVD und Blu-Ray Start des Films drei DVDs! Ihr wollt gewinnen, dann schreibt uns bis zum 3. April eine Mail mit dem Betreff “Holy Motors” und eurer Adresse an gewinnen@bedroomdisco.de und mit etwas Glück habt ihr bald Gewinnpost von uns in eurem Briefkasten!