If we’re gonna die, bury us alive
If they’re searching for us they’ll find us side by side
That’s my, that’s my man
This world is gonna burn, burn burn burn
As long as we’re going down,
Baby you should stick around
Baby you should stick around
(MS MR – Dark Doo Wop)
Wie schlängelte sich ‘Hurricane’ letztes Jahr durch die Blogosphäre, jeden streifend, der sich auch nur im Entferntesten mit Musik auseinandersetzte und einen wahren Hype auslösend. Es folgte die EP ‘Candy Bar Creep Show’ und der Mantel aus Elektro-Art-Pop und Wave legte sich wundersam über sämtliche Genreelemente. Wer hinter MS MR steckte, wurde so nach und nach enthüllt. Die New Yorker Lizzy Plapinger und Max Hershenow. Sie ist MS, er ist MR. Sie singt, er drückt die Knöpfe. Und bei all den bunten, coolen Pressefotos und Videos, die man von den beiden zu sehen bekam, wurde die Aufregung um das Debutalbum ‘Secondhand Rapture’ immens, bevor es überhaupt veröffentlicht wurde. Nun ist es da.
Pompöse, betörende, dunkel-romantische Arrangements, wie sie schon auf den vier Songs der EP zu hören waren, bestimmen weiterhin den Sound der Band. Plapingers soulige, leicht rauchige Stimme bleibt durchweg entspannt und lässt sich nie zu sehr anstacheln von den rauen Rhythmen, wummernden Drums und stacheligen Violinen und Bläsern. Der Vergleich mit Florence + The Machine drückt sich einem, wo er zuvor komplett unbegründet schien, an manchen Stellen plötzlich mit voller Wucht auf – die ‘My Boyfriend Builds Coffins’-Atmosphäre ist allgegenwärtig. Das Chorale, Epische bauscht sich bei MS MR jedoch nie inflationär auf, sondern wird immer wieder unterbrochen von rhythmischen Pausen und dem unerschütterlich ruhevollen Gesang.
‘Hurricane’, ‘Bones’ und ‘Ash Tree Lane’, die ersten drei Songs des Albums, sind schon von der EP bekannt. Sie sind der Soundtrack zu einem sich verdunkelnden Himmel, peitschenden Winden und finsteren Ritualen von Menschen in Umhängen. Die Songtitel sagen schon einiges aus. Es folgt ‘Fantasy’, nach ‘Hurricane’ die zweite Single. Die Hintergrund-‘oooohs’ fügen sich mit den klackernden Beats und dem 90s-Girlgroup-Gesang à la TLC zu einer Wucht zusammen, die sich wie eine heranrollende Lawine anfühlt. Bei ‘Dark Doo Wop’ ist der Name dann auch wirklich Programm: Der durch das typische Schnipsen begleitete Doo Wop-Gesang gone dark. Ein atemberaubener Song, der sich so still und heimlich von verstaubten Gräbern in junge Herzen krallt, dass es einen fast ein bisschen gruselt. ‘Head Is Not My Home’ unterlegt einen abermals sehr an Florence erinnernden, hymnisch dröhnenden Song mit etwas Country-eskem. Vor dem Refrain nimmt sich alles zurück, bis nur ein Klackern bleibt – um sich dann wieder gesammelt um den Gesang zu ranken: “My mouth, your lips / Your hands, my hips / Hard time right now / Will set us free / And relieve us / Of our misery”. ‘Think Of You’ beginnt mit einem Marschkapellen-Getrommel und rhythmisch-souligem Gesang und wird dann im Refrain fast schon Eurythmics-artig, wenn Plapinger unmetaphorisiert singt: “I still think of you and all the shit you put me through / And I know you were wrong”. Ein großartig kitschiger Song, der sich auch gut in einem Teenie-Drama machen würde. ‘BTSK’ lässt die wirkungsvolle Stimme Plapingers, die alleine vor gezupften Geigen, sanften Synthiebläsern und, im Refrain, wuchtigen Trommelschlägen steht, unter die Haut gehen. MS MR brauchen nicht viel, um ihre Songs wirken zu lassen, ihnen eine Aura des Dämmerigen zu geben. Alle gezielt eingesetzten Elemente tun genau das, was ihre Bestimmung ist, reiben sich aneinander auf und besänftigen sich dann wieder.
‘Kindred Spirits’ donnert und grollt wieder mehr. Hier fehlt vielleicht eine Ecke Abwechslung im Songablauf, grooven tut es trotzdem. ‘This Isn’t Control’ schaudert und fröstelt sich auf die bewährte Weise seinen Weg, lässt wieder einmal viel Raum für den Gesang und hält sich immer soweit zurück, dass Ansätze des Weitschweifigen, Hymnischen nicht das Grazile und Zartgliedrige überfluten.
War der Hype gerechtfertigt und die Geheimnistuerei angebracht? Auf jeden Fall! MS MR haben eine äußerst eigenwillige und frische Vision für Popmusik. Von den Sechzigern über die Achziger hin zu den momentan übercoolen Neunzigern wird alles stilvoll verwertet und mit Aktuellem aufgehübscht. Die klaren Dauerbrenner des Albums sind sicher die vier Songs der EP. Doch auch als Gesamtwerk ist dieses Debutalbum schaurig schön und versprüht Glamour. Farbpuder ins Haar, Oversize-Lederjacke überwerfen und mit den coolen Kids um den Block ziehen!
MS MR – Secondhand Rapture
VÖ: 10. Mai 2013, Columbia Records
http://www.msmrsounds.com
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http://vimeo.com/58944875