DEAR READER – Rivonia

Promise me you’ll never go
I have made your heart my home
And the love that you give is enough to keep me from now on

(Dear Reader – From Now On)

Dear Reader ist das (mittlerweile Solo-) Projekt der südafrikanischen Sängerin Cherilyn MacNeil, und mit ‘Rivonia‘ veröffentlichte sie diesen April ihr nunmehr drittes Studioalbum.

Zuerst soll gesagt sein: ‘Rivonia‘ ist kein gewöhnliches Dear Reader-Album, generell kein gewöhnliches Album. Es ist ein wichtiges Album – für die Künstlerin, für den Hörer und sicherlich auch für die Heimat MacNeils.  Rivonia, ein ehemaliger Stadtteil ihrer Heimatstadt Johannesburgs, steht hier als Symbol  für MacNeils musikalische Aufarbeitung der schwierigen Geschichte Südafrikas, die durchzogen ist von Apartheid, Rassensegregation und Gewalt. Auf diesem Album verarbeitet sie die Geschichte ihres Landes auf ihre ganz eigene Art. Dies tut sie nicht angestaubt und mit erhobenem Zeigefinger, sondern sie nutzt ihre großartige Gabe des Geschichtenerzählens für die musikalische Aufarbeitung des Traumas ihrer Heimat. Jeder Song erzählt eine Geschichte, eine Anekdote aus der Zeit, in der die Rassentrennung in Südafrika für so viel Leid sorgte, nimmt einen gefangen und zieht einen so gekonnt hinein, als stünde man direkt daneben.

MacNeil paart Geschichtsbewusstsein und intelligente, eben nicht so sehr politische, sondern eher humanitäre Texte mit den Rhythmen und Sounds ihrer Heimat und flicht sie gekonnt in den gewohnten Popsound der Band ein. ‘Took Them Away‘ zum Beispiel lebt entscheidend von den Percussions, den Trompeten und den afrikanischen Backgroundchören, die dem auf den ersten Blick fast schon beschwingt klingenden Track einen unwiderstehlichen Touch von Weltmusik geben – doch hört man auf den Text, wird ganz schnell klar, dass es sich hier keinesfalls um ein beschwingtes Thema handelt: ‘So they came in a dry-cleaning van and they took them away, took them away / One dog and a dozen strong men and they took them away, took them away (…) I stood and watched by the side of the road / How could I know?‘

Good Hope’ hingegen ist eine berührende Ballade, die von sehnsüchtigen Streichern und einem traurigen Piano begleitet wird, um sich dann zum Schluss hin mit großer Geste und Gospelchor aufzubäumen und einem eine leichte Gänsehaut über die Arme zu jagen, und die so melancholisch von den Hoffnungen und Träumen der unterdrückten schwarzen Bevölkerung erzählt.

From Now On‘ begeistert durch MacNeils bedrückenden Gesang, eine wehmütige Trompete, zentnerschwere Drums und die im Hintergrund immer erdrückender erscheinenden Chöre, und ist trotz der bedrückenden (oder grade wegen!) Stimmung mit Sicherheit einer der stärksten Songs des Albums.

Rivonia‘ ist eine Fundgrube voller traumhafter poppiger Melodien, und die afrikanischen Einflüsse, die sich in fast allen Tracks wiederfinden, geben den Songs diese Besonderheit, die sie zu den Kleinoden machen, die sie sind. Und die Geschichten, die erzählt werden, sind so berührend, traurig und gleichzeitig ermutigend und zu keiner Zeit anmaßend. Es gibt keine Ausfälle auf diesem Langspieler, und MacNeils soulige Stimme verfehlt nie ihr Ziel, sie trifft immer sicher das Herz des Hörers und es ist evident, wie wichtig ihr die Beschäftigung mit diesem Thema ist. Vielleicht hat die Distanz, die sie durch die Auswanderung ins graue Berlin zur Heimat gewonnen hat, diesen Prozess ausgelöst. Wie schön, dass wir durch dieses Album einmal einen anderen Blickwinkel und Themenkomplex aufgezeigt bekommen.

5von5

Dear Reader – Rivonia

VÖ: 5. April 2013, City Slang, Universal
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