I have one breath to give
I have one second to live
Before I say what I’ve got to say
(Anna Calvi – One Breath)
Als Anna Calvi vor zwei Jahren ihr Debutalbum veröffentlichte, waren Musikliebhaber und Kritiker gleichermaßen fasziniert. Eine Frau, die mit Gitarrenrock begeisterte. Und die Gitarre ist zweifelsohne ihr Instrument. Anna Calvi hat Gitarre studiert und dass sie eine sehr enge fast schon intime Beziehung zu diesem Instrument hat, hört man auch auf ihrem neuen Album ‘One Breath‘. Doch im Gegensatz zum Vorgängeralbum steht das Gitarrenspiel nicht mehr im Vordergrund. Die Gitarre dient Anna Calvi vielmehr als Dialogpartner – sie singt mit dieser im Duett oder findet sich mit ihr manchmal auch in einem Streitgespräch wieder.
Vorab sei Eines bereits gesagt: ‘One Breath’ ist kein einfaches Album. Es schmeichelt sich nicht ins Ohr. Es lärmt, knarzt und hat immer wieder Stilbrüche, die zu aktivem und bewusstem Zuhören zwingen. Auch textlich hat Anna Calvi hier schwere Kost zu bieten. Die 33-jährige Britin hatte in den letzten zwei Jahren mit einer Depressionserkrankung zu kämpfen und verarbeitet in den 11 Songs ihre Erfahrung, ihren Schmerz. Keiner leidet so schön wie sie. Der Vergleich zu PJ Harvey, nach dem ersten Album oft geführt, trifft hier mehr und mehr ins Schwarze. Das Album eröffnet mit ‘Suddenly‘, einem Song der zunächst mit leisem Gesang geheimnisvoll beginnt, um dann im Refrain sich in opulenter Orchestermelodie zu entfalten. ‘Eliza‘, die erste Singleauskopplung, erinnert mit ihrem treibenden Beat und der Gitarre wieder an das Debutalbum und wirkt im Gesamtkonzept des zweiten Albums etwas deplatziert. ‘Piece By Piece‘ startet mit einer kurzen John–Cage-artigen Geräuschkulisse, die abrupt endet und daraufhin den wunderbaren Pop-Beat freisetzt, der, ständig unterbrochen von Störgeräuschen und eingeschobenen Gitarrenriffs, den Hintergrund für Calvis Stimme bildet. ‘Sing to me‘ hingegen erinnert an frühe Goldfrapp Werke. Anna Calvi klingt, untermalt von einem mystischen Chor und begleitet von ihrer Gitarre, ein wenig wie ein weiblicher Nick Cave – melancholisches Gänsehautfeeling inklusive. Auffällig auf dem Album ist, dass Calvi mehr und mehr Orchesterbegleitung und aufwändige Melodien in ihre Stücke einbaut. Der Titelsong ‘One Breath‘ ist das Paradebeispiel für den veränderten und sperrigen Sound. Anfangs ertönt nur Calvis Gesang untermalt von einem zurückgenommen Gitarrenrhythmus und einem Synthi-Klangteppich, der langsam anschwillt und sich steigert. Gerade wenn man denkt, man hat das Lied eingeordnet, verändert es sich in einer musikalischen Metamorphose zu einem völlig anderen Sound. Wie gesagt, alles andere als einfach und eingängig, aber gerade deswegen unglaublich vielschichtig und fantastisch. Anna Calvi hat mit ihrem zweiten Album bewiesen, dass sie weit mehr ist als nur eine virtuose Gitarristin.
Anna Calvi – One Breath
VÖ: 07. Oktober 2013, Domino Records
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