Poliça – Shulamith

Polica - Shulamith Cover

I don’t need a man
All that he does I can
I don’t need a love
Got enough worry to fill me up.

(Poliça – I Need $)

Der Druck für das zweite Album ist besonders groß, wenn sogar das renommierte ARD Morgenmagazin dem Debüt nicht weniger als „überirdische Schönheit“ zuschreibt. Die Rede ist von Poliça, jener Band die von Bonny Bear aka Bon Iver aka Justin Vernon als beste Band, die er jemals hörte, ausgerufen wurde. Wohin geht also die Reise mit dem Zweitwerk ‘Shulamith‘? „Drums. Bass. Synths. Me, Women.” fasst Sängerin Channy Leanagh kurz und prägnant zusammen. Wir können sogar noch kürzer: Pop!

Benannt ist das ‘Shulamith’ nach Shulamith Firestone, einer kanadischen Schriftstellerin und Feministin. Nicht weniger als sexuelle Revolution, Mutterschaft und das Verhältnis von Geschlecht und Klasse behandelte die bereits verstorbene Theoretikerin der Frauenbewegung. „Sie ist auch aus dem Grab heraus noch meine Muse und Mentorin“, adelt Channy Leaneagh. Das Cover, auf dem der blutverschmierte, und oftmals verpixelte, Nacken einer Frau zu sehen ist, soll den blutigen Lebenszyklus einer Frau symbolisieren. Und das Streben nach Schönheit. Aber vor allem Blut. Wieso wir das erwähnen, wissen wir auch nicht so genau. Auf Grund (leider) nicht gegebener Einarbeitungszeit in die Materie, fällt es schwer, tiefere Zusammenhänge zu erkennen. Interessanter dürfte für den geneigten Bedroomdisco Leser jedoch sein, ob ‘Shulamith’ die Qualität des großartigen Debüts ‘Give You The Ghost‘ halten oder gar übertreffen kann.

Der Sound von Poliça ist immer noch von elektronischen Elementen: Elektro, Dub, R’n’B und seit neustem auch mehr Pop sind die Ankerpunkte von ‘Shulamith’. Die vorigen Alleinstellungsmerkmale, die Autotune-verzerrten Stimmfetzen von Sängerin Channy und das polyrythmische Schlagzeugspiel von Ben Ivascu und Drew Christopherson, treten dezent in den Hintergrund. Dadurch büsst ‘Shulamith’ im Gegensatz zu ‘Give You The Ghost’ ein wenig seiner komplexen Faszination ein. Der vielschichtige Groove des doppelten Schlagzeugs treibt zwar immer noch, kratzt aber nicht mehr an der Grenze zur Fragilität und lässt die Band weniger funkeln.

In ‘Tiff ‘, das den bereits erwähnten Bon Iver featured, und in ‘Matty‘ klingen Poliça nach 90er Trip-Hop, nach einer stereoiden Abart von Portishead. Dabei bleiben die besungenen Themen düster und gefallen sich in edelstem Trübsal. Songs wie ‘Torre‘ hingegen, besinnen sich auf die alten Stärken, die besondere Banddynamik und das ausgefeiltere Schlagzeugspiel – Fans der ersten Stunde werden versöhnlich gestimmt. Doch es wird versucht neue Wege einzuschlagen, sei es durch das technoid anmutende ‘Spilling Lines‘, das poppig-plätschernde ‘Warrior Lord‘ oder der sphärische Elektro-R‘n‘B von ‘Smug‘. Poliça klingen auf ‘Shulamith’ bunter, als jede gemischte Tüte vom Kiosk eures Vertrauens. Doch genau hier liegt einer der großen Nachteile des Albums, denn ein roter Faden lässt sich nur schwer definieren. An jeder Ecke spürt man die sprudelnde Ideenvielfalt von Poliça und den Drang sich auszuprobieren, die Suche nach dem perfekten Sound ist manchmal lange und beschwerlich.

‘Shulamith’ ist ein Malstrom von Album und verlangt dem Hörer Aufmerksamkeit ab. Wer sich jedoch die Zeit nimmt und sich mit Poliças Zweitwerk auseinandersetzt wird mit vielen, sehr guten Songs und einigen, leider nur mittelmässigen, Liedern belohnt. ‘Shulamith’ will Pop sein und stellt sich in seiner Intellektualität und reduzierten, aber durchaus vorhandenen, Komplexität selber ein Bein. Vielleicht fehlt auch einfach der Überraschungsmoment von ‘Give You The Ghost’, es fällt schwer darüber zu urteilen. ‘Shulamith’ ist mit Sicherheit ein gutes Album, aber es hätte so viel besser sein können.

3-4von5

Poliça – Shulamith
VÖ: 18. Oktober 2013, Memphis Industries, Indigo
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Fred

Fred ist 32 Jahre, wohnt in der Pop-City Damstadt und mag Hunde, Pizza und Musik.

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