LORDE – Pure Heroine

But in all chaos, there is calculation
Dropping glasses just to hear them break
You’ve been drinking like the world was gonna end (it didn’t)
Took a shiner from the fist of your best friend (go figure)
It’s clear that someone’s gotta go
We mean it but I promise we’re not mean

(Lorde – Glory and Gore)

Wenn einem die einschlägige Presse einen neuen Künstler nach nur einer Hitsingle als das neue Wunderkind des globalen Pop verkaufen will, ist normalerweise Skepsis angesagt. So geschehen bei der erst 16-jährigen Lorde aus Neuseeland. Mit richtigem Namen Ella Yelich O’Connor getauft, bekam der dunkel gelockte Teenager bereits mit 12 seinen ersten Plattenvertrag, nur um dann vier Jahre später mit ihrer ersten Single ‘Royals‘ die Spitze der amerikanischen Billboard-Charts zu erklimmen.

Die Musikpresse reißt sich um Lorde, die Popwelt bricht in Lobeshymnen aus – doch ist ein solcher Trubel angemessen in Anbetracht ihres grade veröffentlichten Debütalbums ‘Pure Heroine‘?

Um es kurz zu machen: absolut. ‘Pure Heroine’ ist ein beachtliches Debütalbum, und nicht nur vor dem Hintergrund, dass Lorde erst zarte 16 Jahre alt ist und das Album in großen Teilen auch tatsächlich auf ihrem eigenen Mist gewachsen ist, und nicht auf dem mittelalter schwedischer Hitproduzenten, die peinlichen Popstars billige Beats auf den Leib schneidern und ihnen knappe Fetzen überwerfen, um nach dem Prinzip “Sex sells” zu verschleiern, dass das Ganze kaum Substanz hat.

Stattdessen paarte das Label sie nach ihrem ersten Signing mit 12 Jahren mit dem bisher eher unbekannten Produzenten Joel Little, und zusammen haben die beiden ein Album voller Indiepop-Hymnen kreiert, mit denen so sicherlich keiner von einer jungen Frau in Lordes Alter gerechnet hätte.

Die Songs auf ‘Pure Heroine’ sind für ein Popalbum überraschend reduziert  und beatlastig, vieles erinnert in seiner musikalischen Reduziertheit an The XX oder an James Blake. Bestes Beispiel: Die Hitsingle ‘Royals‘ ist in seiner Kombination aus einem simplen Beat, rhythmischen Fingerschnippen und Lordes dunkel-samtigem Gesang eigentlich ein höchst ungewöhnlicher Song in der heutigen Poplandschaft, und dennoch schafft Lorde es damit, einen für drei Minuten und zehn Sekunden zu hypnotisieren.

Besonders herausragend sind auch das großartige ‘Buzzcut Season‘ (vielleicht der beste Song des Albums), in dem sie mit abwesender-entrückter Stimme über einen sanften Elektrobeat und ein zuckendes Schlagzeug singt: ‘I remember when your head caught flame / I kissed your scalp and caressed your brain (…) Well you laughed, baby it’s okay / It’s buzzcut season anyway’ sowie der Opener ‘Tennis Court‘, ein düsterer Song mit dunklen Synthies und einer harten Snaredrum, in dem sich Lorde mit den Schattenseiten der Popularität beschäftigt: ‘Pretty soon I’ll be getting on my first plane / I’ll see the veins of my city like they do in space / But my head’s filling up fast with the wicked games, up in flames / How can I fuck with the fun again, when I’m known?’

Lorde schreibt alle Texte selber, und für einen Teenager sind diese überraschend tiefgründig und von Wortwitz und Sprachgefühl gekennzeichnet. Die Songs drehen sich um die Widrigkeiten eines Teenagerlebens, lassen sich aber mit Leichtigkeit auch auf alle anderen Lebenssituationen übertragen – und je mehr man von diesem Album hört, umso mehr wird klar, dass Lorde eine alte Seele ist, die bereits viel weiter ist als 16.

Glory And Gore‘ ist eine weitere dieser infektiösen Hymnen, die das Album auszeichnen: In den Strophen lediglich bestehend aus seiner Rhythmusssektion, bricht im Refrain eine dunkle Synthiewand über den Hörer herein und frisst sich tief in den Gehörgang.

Lorde selber kümmert sich nicht die Bohne um all den Hype. In ‘A World Alone‘, dem letzten Song des Albums, endet sie mit einem unbekümmerten ‘People are talking, people are talking / Let ‘em talk…’. Nicht nur wegen dieser erfrischenden Unbeirrtheit wird die Welt noch lange etwas von Lorde haben.

Lorde – Pure Heroine
VÖ: 25. Oktober 2013, Universal
www.lorde.co.nz
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