Demnächst steht mal wieder ein Trip nach Mannheim, genauer zum Maifeld Derby Festival, an – nicht der erste Ausflug in letzter Zeit, haben wir doch zuletzt erst die Strecke für das Jetztmusik Festival bewältigt. Dabei sieht sich das Festival als Verbindung zwischen elektronischer Musik und anderer Ausdrucksformen wie Film, Literatur oder darstellender Kunst und konnte mit Konzerten von Künstlern wie Hauschka, Nils Frahm oder auch Darkstar aufwarten! Grund genug bei den beiden Machern Alexander Henninger und Matthias Rauch nachzufragen und die beiden zum Interview zu bitten!
1. Steckbrief:
– Name: Jetztmusik Festival
– Gründungsjahr: 2007
– Standort: Mannheim
– Termin: März 2015
– Preis: variiert
– Besucher: 3000
2. Fragenkatalog:
Aus welchem Grund habt ihr angefangen das Festival zu veranstalten? Was ist euer Background?
Alexander Henninger: Als cosmopop dieses Jahr bekannt gaben, die Festivalleitung des Jetztmusik Festivals aufgrund größerer Projekte abzugeben, wurde Patrick Forgacs gefragt, dieses mit mir zu übernehmen. Patrick organisiert schon seit vier Jahren die HERBST/ZEIT/LOSE in Heidelberg und hatte deswegen bereits Erfahrung im Veranstaltungsbereich gesammelt. Ich habe letztes Jahr mein Studium des internationalen Kulturmanagements in Freiburg abgeschlossen und dachte, es wäre eine Chance, im Kultursektor Fuß zu fassen, gerade in einem Bereich, der mich auch wirklich interessiert.
Matthias Rauch: Wir, das Clustermanagement Musikwirtschaft, sind zwar in allen Aspekten des Festivals ein gleichwertiger Partner, aber die letzte Verantwortung tragen Alexander Henninger und Patrick Forgacs. Das Clustermanagement Musikwirtschaft betreibt Strukturförderung für die musikwirtschaftenden Akteure in Mannheim und der Region. Daher unterstützen wir auch das Jetztmusik Festival seit diesem Jahr organisatorisch mit unserem Know-How und auch personell.
Ihr habt euch als Ziel gesetzt elektronische Musik mit weiteren Ausdrucksformen wie Film, Literatur oder darstellender Kunst in Verbindung zu setzen – wie kamt ihr dazu und welche Formen fandet ihr bisher am wirkungsvollsten?
Matthias Rauch: Das Interessante an der Schnittstelle zu anderen Ausdrucksformen zu arbeiten, ist gerade, dass sich hier noch keine festen Regeln oder gar Genres gebildet haben. Das Jetztmusik Festival geht zwar von der elektronischen Musik aus, aber in der Verbindung zu anderen Künsten entsteht potentiell etwas Neues, Unerwartetes und dadurch werden hoffentlich auch neue ästhetische Erfahrungen möglich. Dieser Dialog und Austausch zwischen den unterschiedlichen Kunstformen interessiert uns.
Alexander Henninger: Matthias hat das schon richtig gesagt, die Schnittstelle ist das besondere am Jetztmusik Festival. Es sind keine Grenzen gesetzt und man ist in der Umsetzung nicht an Regeln gebunden. Oft spielt dabei der Ort auch eine große Rolle, was man beispielsweise dieses Jahr auch bei den Veranstaltungen von Hauschka im Aufnahmestudio des SWR Mannheim-Ludwigshafen oder Kontrastmittel im Waschsalon Duman mit Asli Kilic und Mono Girl miterleben konnte. Daher würde ich sagen, dass die Form zweitrangig ist, sondern das WO entscheidend.
Gab es ein anderes Festival, dass euch als Inspiration diente – welches bzw. aus welchen Gründen?
Matthias Rauch: Ich kann hier nur aus meiner persönlichen Perspektive sprechen, da jeder einzelne im Festival-Team wahrscheinlich andere musikalische Vorlieben bzw. einen anderen Favorit hat. Mich haben schon immer Festivalformate interessiert, die konzeptionell und programmatisch sehr durchdacht und in sich geschlossen sind. Das muss dann inhaltlich auf den ersten Blick erst mal gar nicht wirklich viel mit dem Jetztmusik Festival zu tun haben. Ich finde beispielsweise, dass Timo Kumpf mit dem Maifeld Derby in Mannheim auch dieses Jahr wieder ein sehr überzeugendes Programm in einem sehr stimmigen Kontext zusammengestellt hat. Ansonsten finde bzw. fand ich Festivals wie ATP, Podium Festival, Denovali Swingfest oder auch das Donaufestival immer sehr spannend.
Alexander Henninger: Auch ich kann hier nur aus persönlichen Erfahrungen sprechen, nehme aber auch das Jetztmusik Festival der Jahre zuvor als Inspiration, da es doch schon gewissermaßen einen Grundstein gelegt hat mit den letztjährigen Programmpunkten. Jetzt liegt es an uns, da anzuknüpfen, darauf aufzubauen und das Festival weiterzuentwickeln und einen größeren Bekanntheitsgrad zu erreichen.
Wie kam das erste Mal zustande? Auf welche Probleme seid ihr gestoßen?
Matthias Rauch: Das Jetztmusik Festival wurde bis zum letzten Jahr von cosmopop veranstaltet, die unter anderem auch die Time Warp ausrichten. Cosmopop ist mittlerweile mit ihren Festivalformaten aber auch international so erfolgreich, dass die bisherigen Veranstalter ein vergleichsweise kleines Festival wie das Jetztmusik Festival nicht mehr durchführen konnte. Das Clustermanagement Musikwirtschaft hat sich dann frühzeitig zusammen mit dem bisherigen Veranstalter und dem Beauftragten für Kultur- und Kreativwirtschaften der Stadt Mannheim auf die Suche nach den geeigneten Veranstaltern gemacht, die das Festival überzeugend weiterführen können. Wir sind dann mit Alexander Henninger und Patrick Forgacs sehr schnell fündig geworden und freuen uns sehr über die bisherige Zusammenarbeit.
Alexander Henninger: Probleme gab es im großen Ganzen (was uns sehr positiv überrascht hat im ersten Jahr) eigentlich keine und, natürlich steht man hin und wieder etwas unter Zeitdruck, was denke ich für Festivals jeglicher Art spricht, da wir aber erst Anfang November mit den eigentlichen Planungen angefangen haben, war der Druck schon ein bisschen größer. Dennoch hat die Arbeit mit dem ganzen Team enorm Spaß gemacht und man konnte sich auf jeden Einzelnen verlassen. Haarig wurde es dennoch einmal, da ein Pilotenstreik ausgerufen wurde, der genau in der Festivalwoche stattfand. Wir konnten aber zum Glück die betroffenen Flüge umbuchen und der Festivalverlauf nicht durchbrochen wurde. Desweiteren mussten wir spontan einen Ersatz für Kai Adomeit aus der Reihe Kontrastmittel suchen, der uns leider krankheitsbedingt absagen musste.
Ein Teil eures Konzeptes ist auch, dass die Veranstaltungen nicht in gewohnten Konzertorten stattfinden – welche Gründe habt ihr dafür, auf welche Probleme stoßt ihr dadurch aber auch, welche Orte bieten sich in euren Augen besser dafür an?
Matthias Rauch: Das Wo ist unserer Meinung nach stets mit dem Wie verstrickt, oder anders ausgedrückt: Der Raum beeinflusst maßgeblich die Wahrnehmung der Musik. Herkömmliche Konzert-Locations sind fast immer mit gewissen Konventionen verbunden, die vor allem bei klassischer Musik oftmals etwas steif und arriviert erscheinen. Diese Muster und Konventionen wollen wir durch die Verlegung in vergleichsweise ungewöhnliche Räume relativieren und damit auch die Musik bzw. die jeweiligen Kunstformen in einem neuen, ungewohnten Blickwinkel erfahrbar machen.
Dieses Jahr hat sich das Festival mit der Frage über die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen Hoch- und Popkultur beschäftigt – wie kommt ihr zu dieser Fragestellung, wie steht ihr zu der Fragestellung bzw. wie hat sich diese Thematik im Programm geäußert?
Matthias Rauch: Die Fragestellung an sich ist ja nicht neu. Uns hat insbesondere interessiert, inwiefern diese Unterscheidung immer noch unser Denken, Reden und Handeln beeinflusst. Meiner Auffassung nach ist die Unterscheidung zwischen Hoch- und Popkultur nicht mehr leicht zu treffen, da es zu viele Künstler gibt, die diese Unterscheidungsgrenzen implizit immer wieder in Frage stellen und verwischen. Ich denke, einige Künstler des diesjährigen Festivals wie etwa Nils Frahm, Hauschka oder auch Sven Helbig verdeutlichen diese Dynamik, weshalb wir konsequenterweise auch zum ersten Mal in der Festivalgeschichte ein ganztägiges Symposium zu diesem Thema ausgerichtet haben.
Wie kann das Konzert mit Darkstar und Patten besonders in diese Thematik eingeordnet werden?
Alexander Henninger: Darkstar und patten haben auf ihre eigene Weise besonders deswegen in die diesjährige Thematik gepasst, da sie sich ebenfalls keinem genauen Musikgenre zuordnen lassen und sich thematisch als auch musikalisch aus vielen Schnittstellen der Musik zusammensetzen. Das Ganze baut natürlich nach wie vor auf elektronischer Musik auf. Nachdem beide Künstlergruppen dieses Jahr neue Alben vorstellten, war schnell klar, dass wir einen Warp-Label Abend veranstalten werden. Darüber hinaus legen wir auch Wert darauf, Künstler mit einzubeziehen, die noch nicht einen so hohen Bekanntheitsgrad genießen.
Wie haben die visuellen Künstler mit den musikalischen Künstlern zusammengearbeitet oder hat jeder getrennt voneinander seinen Auftritt vorbereitet?
Alexander Henninger: Dieses Jahr lag der Schwerpunkt eher noch auf Seiten der musikalischen Künstler, dennoch haben wir versucht bei gewissen Konzerten wie beispielsweise Kontrastmittel, der Closing Party aber auch Darkstar & patten, Visuals mit einzubeziehen, da es programmatisch einfach sehr gut dazu gepasst hat. Die Vorbereitung hat in diesem Jahr größtenteils getrennt voneinander stattgefunden, wobei die visuellen Künstler ja schon immer vorher die Möglichkeit hatten, sich die Location anzuschauen und auch schon wussten, zu welcher Musik sie ihr Programm gestalten können. Ich denke, die Zusammenarbeit während des Auftritts kommt, wenn man so will, von alleine und die visuellen Künstler können sich ein wenig nach der Musik richten. Wir wollen aber in den kommenden Jahren den Bereich der visuellen Kunst ebenfalls weiter ausbauen.
Welche Ziele habt ihr für das Festival für die nächsten Jahre?
Matthias Rauch: Wir wollen den eingeschlagenen konzeptionellen Weg des Schnittstellenfestivals von der elektronischen Musik ausgehend konsequent weiterführen und auch den Brückenschlag zur vermeintlichen Hochkultur suchen, um das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Konzepten weiter auszuloten. Außerdem wollen wir dem Festival eine noch größere überregionale Strahlkraft verleihen. Den ersten Schritt in diese Richtung haben wir dieses Jahr bereits vollzogen und die Publikumsresonanz hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Alexander Henninger: Genau, auf jeden Fall wollen wir da anknüpfen, wo wir dieses Jahr aufgehört haben. Wie Matthias auch schon sagte, hat uns das Publikum und die Presse ein sehr positives Feedback gegeben, was uns ermutigt, die Sache fortzusetzen und auszubauen. Besonders wollen wir dem Festival den überregionalen Charakter verleihen, den es meiner Meinung nach schon lange verdient. Natürlich steht dabei immer die elektronische Musik im Mittelpunkt.