RAE MORRIS – Interview

Es ist ein regnerischer Tag in Frankfurt. Rae Morris spielt heute im Rahmen des ‘Women of the World’ Festival. Beim betreten der Location ist gerade der Soundcheck im vollen Gange. Nach kurzer Wartezeit kommt Rae Morris mir schon freudestrahlend entgegen. Sie wirkt locker und entspannt. Ohne Stress setzen wir uns in den Backstage und unser Gespräch beginnt.

Rae Morris - Interview
© Tobias Schrenk

Wer ist Rae Morris und wie kam sie zur Musik?

Rae: Rae Morris bin ich und sie ist ein Mädchen aus Blackpool, eine Stadt im Nordwesten von England. Ich habe angefangen Musik zu schreiben als ich 17 Jahre alt war und eigentlich habe ich seit ich vier bin immer Klavier gespielt. Zunächst nicht sehr gut. Ich habe mich an klassischen Stücken probiert, aber das war nicht so meine Sache. Ich mag klassische Musik, aber als ich anfing selbst Lieder zu schreiben und zeitgenössische weibliche Singer-Songwriter zu hören, hatte ich gefunden was ich so an der Musik liebe.

Deine letzte Single ‘Do You Even Know’ wurde vor Kurzem veröffentlicht. Bei diesem Lied hast du dich sehr verändert. Deine vorangegangenen Veröffentlichungen hatten ihren Schwerpunkt auf dir und dem Piano. Jetzt hast du angefangen mit verschiedenen Melodien zu experimentieren, man hört elektronische Einflüsse. War dieser Prozess ein klar geplanter, dass du zu diesem Punkt mit deinen Songs kommen wolltest oder hat es sich einfach so beim Song schreiben entwickelt?

Rae: Ja, ich glaube es ist etwas von Beidem. Den Song ‘Do You Even Know’ habe ich geschrieben, kurz bevor ich in die USA bin um mein Album aufzunehmen. Ich habe angefangen mein Songwriting zu verändern und habe mit Logic am Computer und nicht am Klavier geschrieben. Das Original-Demo ist sehr ähnlich zu der Album-Version, weil genau dies in Logic passiert ist. Das Demo ist auch auf der Single zu hören, damit man die beiden Versionen vergleichen kann. Aber ich glaube es ist eine natürliche Entwicklung. Wenn du etwas sehr viel machst und auf einem Instrument schreibst, ich spiele keine anderen Instrumente, fängst du an herumzuexperimentieren. Und als es an die Produktion des Albums ging habe ich einfach mit vielen Sounds herum probiert. Das war meine Art herauszufinden wie das Album sich anhören sollte und ich wollte einen Weg finden etwas anders zu machen.

Vermisst du es Songs zu schreiben, wie du es getan hast als du angefangen hast? Spürst du einen Druck, wenn es darum geht EPs zu veröffentlichen, an einer Platte zu arbeiten und Menschen stellen Fragen dazu? Hat sich dadurch etwas für dich verändert?

Rae: Auf jeden Fall. Da ist immer eine Art von Druck, aber ich denke es ist mehr mein eigener, innerer Druck. Diesen Druck erlege ich mir mehr auf, als dass er von außen kommt. Weil ich weiß ja, wenn ich etwas nicht tue, was ich eigentlich tun sollte. Du weißt ja auch, wenn du nicht dein komplettes Potenzial ausschöpfst. Das ist eigentlich der Druck, den ich mir selbst mache aber ich glaube ich vermisse nicht die Naivität, weil ich habe diese Songs geschrieben und es sind naive Songs. Aber jetzt schreibe ich Songs, die anders sind und ich habe andere Einflüsse. Ich bin in einer nächsten Phase. Das alles macht mich sehr glücklich und ich will einfach eine Entwicklung zeigen.

Dein erstes Album wird nun bald veröffentlicht. Du bist sicher sehr aufgeregt.

Rae: Ja, ich bin total aufgeregt. Ich wünsche mir jetzt inständig, dass es die Leute hören können. Es wird im September veröffentlicht.

Was bedeutet also dieser Albumrelease, wenn du es mit dem der EPs vergleichst. Ist da ein großer Gefühlsunterschied?

Rae: Da ist ein großer Unterscheid. Diese Kultur in der jeder EPs veröffentlicht, lässt es so aussehen, als wäre das Album nicht mehr ganz so wichtig. Aber es ist einfach eine große Sache für mich. Es ist einfach Alles, die komplette Geschichte. Es ist als würde man Teile einer Geschichte bekommen, anstatt das komplette Buch.

Welche Richtung wird das Album einschlagen?

Rae: Es wird auf jeden Fall einige verschiedene Töne einschlagen, aber der Leitfaden werden immer noch ich und das Piano sein. Wir haben die komplette Produktion auf die Songs, und was am besten für diese ist, ausgelegt. Jeder Song hat sein Eigenleben und diesem wollen wir Tribut zollen. Es wird viele Ähnlichkeiten zu ‘Do You Even Know’ haben. Trotz der elektronischen Einflüsse wollten wir es sehr offen halten. Eine organische Mischung der elektronischen Anteile, wenn sie mit dem Song gemixt werden.

Was ich persönlich sehr interessant finde sind deine Musikvideos. Die letzten beiden waren unglaublich ästhetisch gefilmt und allgemein sehr filmisch. Das ist sehr überraschend, da ja eigentlich Musikvideos eher am Aussterben sind und es kein richtiges Musikfernsehen mehr gibt. Ist ein Musikvideo eine wichtige Sache für dich und deine Arbeit und wie weit bist du selbst am Prozess der Videos involviert?

Rae: Bei den letzten beiden Videos habe ich angefangen mich mit einzubringen. Davor war ich eher abgeschreckt und wusste nicht so recht was ich machen sollte. Ich konnte Songs schreiben, aber ich wusste nicht wie die visuelle Umsetzung funktionieren sollte. Ich fing an mit Nadia Marquard Otzen zu arbeiten und sie ist die Frau, die ’Skin‘ und ’Do You Even Know’ gemacht hat. Wir haben uns wie hier zusammengesetzt und ich war wirklich angespannt, weil ’Skin’ so ein wichtiger Song für mich ist und ich wollte, dass die Leute ihn verstehen. Das Video musste also fesselnd sein. Es musste das Richtige werden. Wir saßen also zusammen, redeten und hatten die Idee mit mir als repräsentative Statue. Der Prozess bei ’Do You Even Know’ war dann der Gleiche. Die Videos bedeuten mir sehr viel. Ich bin ein visueller Mensch und mag Kunst. Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber sie bedeutet mir sehr viel und ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Also einfach ein Video zu machen wäre nicht in Frage gekommen, deswegen habe ich dafür eine große Leidenschaft entwickelt.

Was sind deine musikalischen Einflüsse oder was inspiriert dich allgemein?

Rae: Im Moment bin ich allgemein von sehr viel Kunst inspiriert. Ich versuche mehr darüber zu lernen. Ich lese ein Buch über die Geschichte der Kunst, damit lerne ich gerade einiges. Musikalisch eigentlich immer noch das gleiche. Ich höre sehr viele weibliche Singer Songwriter und zur Zeit extrem viel von Joni Mitchell. Auf Tour ist sie immer meine Rettung. Meine größte Inspiration, wie jeder weiß, ist aber Kate Bush. Da ist einfach etwas an ihrer Stimme, dass mich nicht loslässt. Nichts bewegt mich so sehr wie diese Stimme.

Du spielst hier im Kontext des Women of the World Festival. Du hast ja schon beschrieben, wie sehr du von weiblichen Künstlerinnen beeinfluss bist. Was bedeutet es für dich hier zu Spielen auf einem Festival das starke weibliche Künstler feiert?

Rae: Das bedeutet sehr viel. Ich habe mir bisher gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was das bedeutet, ein Festival zu haben, welches Frauen gewidmet ist und ich bin sehr aufgeregt, dass ich eine der Personen bin die hier spielt. Es fühlt sich wirklich an wie eine Verbeugung vor Frauen und das ist sehr, sehr schön. Ich bin überrascht ein Teil davon zu sein.

Du bist sehr jung, tourst mit vielen tollen Bands. Ist es manchmal nicht überwältigend und schwer eine innere Balance zu finden?

Rae: Ich sehe das nicht als ein Problem. Es hat drei Jahre gedauert bis zu dem Punkt gekommen bin, an dem ich jetzt bin. Wenn es in einem Jahr passiert wäre, würde es mich wahrscheinlich überwältigen aber ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mir Zeit genommen haben und jeder kleine Punkt hat mich an die jetzige Situation gewöhnt. Außerdem hab ich viele tolle Leute um mich herum, die mich nicht abheben lassen. Meine Familie ist unglaublich und unterstützt mich wo es geht. Außerdem merkst du selber nicht alles, wenn es um dich geht. Ich lebe in meiner normalen Welt und bekomme sehr wenig mit von dem was um mich passiert.

Dein Lied ’Dont Go‘ wurde als Song der letzten Folge der Serie ’Skins‘ benutzt. Bist du ein Fan von TV-Serien? Hast du Lieblingsserien?

Rae: Ja, ich bin ein großer Fan. Ich habe ’Breaking Bad’ und ’Game of Thrones’ geschaut. Zuletzt ’Orange Is The New Black’. Hast du die Serie gesehen?

Ja, fand ich großartig.

Rae: Ich glaub da ist gerade ein großer Umbruch im Fernsehen mit den ganzen Drama-Serien. Damit verändert sich das Gesicht des Fernsehens. Ich versuche wirklich die ganze Zeit auf dem Laufenden zu sein, aber dann kommt jemand und fragt mich  „Hast du die oder die Serie gesehen“ und ich kann nur antworten „Nein, ich habe leider keine Zeit dazu“. Mit ’Skins’ war es so, dass ich als Jugendliche die Serie sehr gerne geschaut habe. Dann habe ich etwas den Anschluss verloren. Den Song habe ich für die Serie geschrieben und das war eine tolle Erfahrung, etwas zu schreiben für eine Sache die Teil deines Lebens war. Ich habe es nur einmal angeschaut und ich werde es nicht mehr schauen. Aber es war toll.

Wo siehst du dich selbst in 10 Jahren? Hast du einen klaren musikalischen Weg im Kopf?

Rae: Auf gar keinen Fall. Ich weiß noch nicht mal was ich morgen mache. Ich bin schon immer diesem ungeschriebenem Gesetz gefolgt, jeden Tag so zu nehmen wie er kommt und jeden Moment zu genießen und das Beste daraus zu machen. Es gibt immer die Ambition und den Moment wenn es einem über den Kopf wächst. Das will ich auf keinen Fall. Hoffentlich kann ich weiter Lieder schreiben und noch eine Menge Alben aufnehmen.

In wenigen Stunden wirst du hier auf die Bühne gehen. Hast du strikte Rituale kurz bevor du auf die Bühne gehst?

Rae: Ja, ich nehme das Aufwärmen sehr Ernst. Also singe ich mich sehr lange ein. Dann habe ich noch diesen speziellen chinesischen Herbal-Tee. Leider hab ich ihn heute nicht dabei. Aber er ist wie Hustensirup und den benutze ich immer. Das sind eigentlich die beiden Sachen.

Also fühlst du dich heute komisch ohne den Tee?

Rae: Ja, etwas. Aber ich denke solange der Soundcheck gut ist, hab ich kein Problem.

Vielen Dank. 

Danke

 

Tobias

Tobias ist 31, Schwabe aus Überzeugung, trägt aus Prinzip keine kurzen Hosen. Liebt Musik, Bücher, Filme und Schnitzel.

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