EINAR STRAY ORCHESTRA – Politricks

but I’ve got my pockets full of holes
I’ve shared my everything with the floor
this is when Peter Pan is left behind motherless
will I die inside before I die?

(Pocket Full Of Holes – Einar Stray Orchestra)

Es ist beinahe drei Jahre her, dass Einar Stray auf seiner ersten Tour nahe zu jeden Club ausverkaufte und das noch nicht mal mit einem Album im Gepäck. Das Debüt Album Chiaroscuro erschien erst wenig später und war eines der schönsten des Jahres 2012. Jetzt kommt mit Politricks der Zweitling und Einar Stray hat seinem Namen ein pompöses Orchestra angefügt um seinen Bandmitgliedern Tribut zu zollen. Hatte sich doch der lose Haufen an Mitmusikern zu einer demokratisch agierenden Band geformt, was nun auch im Namen Ausdruck finden sollte.

Doch auch musikalisch ging es voran. Waren es auf Chiaroscuro vor allem diese harmonischen melancholisch aber hoffnungsvollen Hymnen, die zu beeindrucken wussten, arbeitet Einar Stray diesmal sorgsam daran Ecken und Kanten hervorzuheben. Dissonanzen ziehen sich durch das ganze Album. Die Instrumente klingen direkt, deutlich hörbare Tastenanschläge und quietschende Saiten sind herzlich willkommen. Das Cello klingt trocken, mit einer beinahe giftigen Note. Häufig scheinen die Instrumente wie im Wettstreit zueinander zu stehen, anstatt sich fließend zusammenzufügen. Einar Stray Orchestra zeigen Mut zum Postrock ala Godspeed You! Black Emperor und dazu den Pfad des all zu Schönen zu verlassen. Die Lieblichkeit wurde weitestgehend verbannt und wenn sie dann doch durchbricht ist sie trügerisch. Wollte Chiaroscuro trotz seiner Düsterheit noch umarmen, zeichnet sich Politricks durch eine Rastlosigkeit und andauerndes Unbehagen aus und zieht genau daraus seine Spannung. Eine bittere Bissigkeit durchzieht Songs und Lyrics und die Erkenntnis macht sich breit, dass selbst die schöne heile Welt Norwegens schon lange ihre Unschuld verloren hat. Dieses Album ist nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit des Vorgängers zu genießen, es schlägt Haken und wühlt auf. Es stemmt sich mit aller Kraft gegen die eigene Schönheit. Politricks baut Träume auf um sie anschließend wieder mit aller Gewalt wieder einzureißen. Ein Album über das Erwachsen werden und das wachsende Unbehagen über die Funktionsweisen dieser Welt.

Gleich der erste Song Honey, mäandert wie irrsinnig zwischen laut und leise und erhebt sich langsam zu einem acht minütigem Monstrum, das die Richtung für das Kommende vor gibt. Die Geige quietscht, der Chor klingt alles andere als lieblich, etwas Bedrohliches zieht auf während sich Schicht für Schicht übereinanderlegt. Politricks wiederholt mantraartig immer wieder die selben Zeilen. Eine musikalische Gehirnwäsche, die selbige textlich behandelt. Pocket Full Of Holes hingegen klingt, ebenso wie Montreal, beinahe feierlich und ausgelassen und fragt doch „will I die inside before I die“. Das Klavier auf Thasymachus pulsiert mit elektronischer Ungeduld und erinnert dabei einmal mehr an Hauschkas Versuche klassische Musik mit elektronischen Einflüssen zu verbinden. Auf der CD Version bricht For the Country, das man genauso wie Envelope schon von der gleichnamigen EP kennt, zur Hälfte des Albums den Hörfluss und fordert alle Aufmerksamkeit ein. Auf der Vinyl Version hingegen bildet es in seinem reinen A Capella Gewand einen Eindrücklichen Abschluss.

Politricks zeigt sich also alles andere als aus einem Fluss, aber das scheint es auch gar nicht zu wollen. Stattdessen fordert es die Aufmerksamkeit des Hörers durch seine Brüche ein und betört doch durch so viel Gewandtheit und Ideenreichtum. Man darf Gespannt sein wohin dieser Facettenreichtum noch führt. Wenn jemand in der Lage ist mit jedem Album so sicher ein Gefühl zu vermitteln mit dem er den Hörer zurück lässt, dann ist das eine große Kunst.

Einar Stray Orchestra – Politricks
VÖ: 12.September 2014, Sinnbus (rough trade)
www.einarstrayorchestra.com
https://www.facebook.com/einarstraymusic