Foto-©: Annabel Mehran
Hay, and a clean stall,
and ivy on a garden wall,
and a sign saying Sold,
and an old coat
for the bad cold.
I believe in you.
Do you believe in me?
What do you want to do?
Are we leaving the city?
(Joanna Newsom – Leaving The City)
Fünf Jahre hat sich Joanna Newsom für ihr viertes Album ‘Divers’ Zeit gelassen und manifestiert damit die eigensinnige Schönheit ihrer Musik. Graziöse Exzentrik wie sie nur genau diese Musikerin schaffen kann. “Das Schreiben der Songs allein dauerte zweieinhalb Jahre, dann habe ich weitere zwei Jahre gebraucht, um die Stücke mit diversen Musikern zu spielen und diese thematisch, aber auch harmonisch miteinander zu verknüpfen“, sagte Joanna Newsom in einem Interview. Ein weiteres halbes Jahr hat sie dann offenbar die vielen Details ausgearbeitet, die einen bei jedem Hören auf’s Neue überraschen.
Die Harfe ist immer noch das Leitmotiv ihrer Musik, aber mit diesem Album sind auch Klavier und melodiöse Spielereien in den Fokus gerückt. Das wird schon bei ‘Anecdotes’ deutlich, der die Platte eröffnet. Liebevoll zusammengewebt sind da der Klang von Harfe und Klavier, die ihrer Stimme das richtige Futter geben, wie ein wärmender Mantel an einem eiskalten Bahnsteig. Die beschriebene Stadtflucht in ‘Leaving The City’ mündet in ihrer Dringlichkeit in den wunderschönen Worten “And that is all I want here: To draw my gaunt spirit to bow, beneath what I am allowed.” Unterstrichen von dem üppigen Arrangement klebt man an ihren Lippen, bis man vom entspannten Einstieg bei ‘Goose Eggs’ wieder aus einem Tagtraum geweckt wird.
In den fünf Jahren hat sie gelernt weitere Instrumente zu spielen und damit so lange experimentiert, bis die Instrumente das taten, was den Songs gut tut. Ihre Experimentierfreude scheint unerschöpflich zu sein, weshalb es umso schöner ist, dass sie es auch ganz einfach kann. So geschehen bei ‘The Things I Say’, bei dem sie nicht mehr als ein Piano und ihre Stimme braucht und damit eine Ballade zaubert, die für sich alleinstehend über vielen anderen schwebt, was Popmusik in den letzten Jahre so zutage gefördert hat. ‘Divers’ steht dann wieder ganz im Zeichen der Harfe und lässt sich mit seinem über sieben Minuten Länge reichlich Zeit. Das braucht er auch, da er sich mit Existenziellen beschäftigt: ‘And in an infinite regress: Tell me, why is the pain of birth, lighter borne than the pain of death? I ain’t saying that I loved you first, but I loved you best.’ Gänsehaut unter Wasser. Mit Vogelzwitschern klingt die Platte bei ‘Time, As A Sympton’ aus: ‘And it pains me to say, I was wrong, Love is not a symptom of time ,Time is just a symptom of love.’
Leicht zugänglich war die Musik von Joanna noch nie, doch hat man sich ihrer Welt einmal hingegeben, gibt es kein Zurück mehr. Es ist ein bisschen so, als müsste man es sich erarbeiten, ihre kantige Kunst zu mögen. Sie schreibt keine Alben für nebenbei, sie schreibt Alben, die man so hören muss, als würde man einen Film schauen – ohne dabei Whatsapp und Facebook auf dem Handy zu checken. Es fühlt sich wie ein biografischer Meilenstein an, sich auf die Musik von Joanna Newsom eingelassen zu haben und sich auf ‘Divers’ zurecht zu finden.
JOANNA NEWSOM – Divers
VÖ: 23. Oktober 2015, Drag City/Rough Trade
www.dragcity.com/artists/joanna-newsom
www.facebook.com/Joanna-Newsom