We all get stuck in circles
But nothing moves in perfect lines
Connections underlie the things we see
But to nuances we’re blind
And I am never singular
I was born a pair, but walk alone
My mirror shows the things I’m not
But he helps me feel at home
(Radical Face – Old Gemini)
Mit der neuen Platte ‘The Family Tree: The Leaves‘ von Radical Face geht das fast zehn Jahre und drei Alben lange Konzeptwerk über die Geschichte der mysteriösen Familie Northcote zu Ende. Wer die Reihe verfolgt hat weiß, dass Ben Cooper die Geschichte, der mit magischen Fähigkeiten ausgestatteten Familie in seine pure, aussagekräftige Folk-Musik gepackt hat und den Hörer jedes mal wieder in das Geheimnis der verschiedenen Generationen einweiht. Obwohl er seine Songs mittlerweile nicht mehr im Schuppen hinter seinem Familienhaus aufnimmt, dominiert auch in diesem letzten Album der Klang von handgemachter Musik. Die Gitarren klingen sehr rein und die Streicher und Flöten als würde man in dieser alten kleinen Holzhütte direkt neben dem Musiker sitzen oder vielleicht im Wohnzimmer der Northcotes.
Der erste Song ‘Secrets (Cellar Door)‘ ist ein euphorisches Intro und vereint schon gleich viele Elemente die das Album ausmachen. Gesangsteppiche, Streicher, gezupfte Akustik-Gitarre, klimperndes Klavier und vorwärts gerichtete Percussion. Sehr überzeugender Start, so leicht wie melancholisch mit den letzten Zeilen: „That’s the way you showed me that I wasn’t quite alone, that you’d also touched the dead before.“ ‘Rivers In The Dust‘ hat zunächst etwas von mittelalterlicher Romantik, bis es nach der Hälfte mit einem, für Radical Face, heftigen Beat weitergeht, der den Körper bis in die letzte Haarspitze in Vibration versetzt. Dazu kommen elektronisch bearbeitete Sounds und der mysteriöse Nebel aus dem Songtitel wird spürbar.
Es verdichtet sich immer mehr der Eindruck, dass das Album opulenter und auskomponierter ist als die letzten und vor allem als das erste Album aus der Reihe ‘The Family Tree‘. So bietet auch ‘Everything Costs‘ eben viel mehr als minimalistische Gitarre und Piano. Mit groovigem Beat und zurückhaltenden Synthie-Klängen sind die Songs Kraftvoll und in den einzelnen Stimmen ausdifferenzierter auf diesem Album. Und trotzdem bleibt alles bedächtig, ein bisschen mysteriös und melancholisch und die Reihe verliert auch musikalisch nicht ihren Zusammenhang.
Ein Stück wie ‘Photograph‘ lebt von den weitreichenden atmosphärischen Klängen zwischen Schwermut und Hoffnung. Gitarre, Stimme, Piano und Bass schaffen hier ein Gefühl von dem jeder Filmkomponist nur träumen kann für die melancholische aber befreiende Abschlusseinstellung. Die instrumentale Nummer könnte fast als Ankündigung eines neuen Zeitalters verstanden werden, so hebt sie sich ab. Ähnlich ist es mit ‘The Third Family Portrait‘, dass das ankommen nach einer harten Reise thematisiert. Cineastisches Schwelgen mit Melodien wie man sie sich vom Wind getragen in den schottischen Highlands vorstellt. „And I will count all the clouds on the way and You and I would name them, while the world around us changed“. Ben Cooper erzählt zum dritten Album selber, dass es in einer Ära von Fotografie und Film spiele. Und das merkt man von Beginn an. Die Musik malt Bilder und versucht so die Geschichten auch aus den Worten heraus zu holen und in die Klänge zu packen. Das schafft er und dazu noch unglaublich gut.
Das energetischste Stück ist ‘The Road To Nowhere‘. Ein fetter holpriger Beat, schrammelndes Cello und schnelle Piano Pattern geben dem poetischen Text über den immer näher kommenden Tod die entsprechende Dramatik. Ein letztes Highlight ist dann noch ‘Old Gemini‘. Beginnend mit einem Loop als Beat entwickelt sich der Song zu einem herrlich gefühlvollen Lehrstück über das Leben, vorgetragen aus einem Tagebuch mit voller musikalischer Ausgestaltung. Diese melancholische Energie aus Piano, Cello und schnellem Schlagzeug zwischen den Strophen ist eigentlich so simpel aber so intensiv.
„It’s that I don’t know how much time I have but I guess we never really do I thought that I would be terrified but it’s worse to watch them watching. Sometimes I wish our lives were simpler that we never had to stretch the food that people here would treat my brother well and that he would know he’s good“
Der letzte Teil der Familiengeschichte ist ein würdiger Abschluss für so eine einzigartige Reihe. Mit filmreifer Atmosphäre bastelt Radical Face einen Rückblick und ein Finale über eine Erzählung die von Dramatik, Mystik und Melancholie nur so trieft. Das könnte dem Hörer zu viel sein, wie auch schon in den letzten Alben hier und da beklagt wurde. Doch wenn man gerne in solchen Geschichten aufgeht und Schwermut aushält, dem wird das gut gefallen. Es ist keine wirkliche Überraschung aber beinhaltet verschiedene neue Zusätze, besonders viele Streicher und ein wenig elektronische Sounds, wodurch Ben Cooper sein aufregendstes Album bisher schafft.
Radical Face – The Family Tree: The Leaves
VÖ: 24. März 2016, Nettwerk Music Group
www.radicalface.com
www.facebook.com/RadicalFace