TIGA – No Fantasy Required

Tiga - No Fantasy Required CD-Kritik

Don’t Break My Heart

(Tiga – Don’t Break My Heart)

Wenn die Eltern dazu beitragen die Weichen für Ihre Kinder zu stellen, findet das heutzutage keinen großen Anklang, sondern eher Verurteilung. Wenn aber die Eltern das Kind beeinflussen, indem sie selbst nachts auf Partys herumlungern und das Kind dann morgens zur After Hour kommen darf – was will man dagegen sagen?
Gut, es hätte auch schief gehen können, im Fall von Tiga hatte das aber positive Nebeneffekte. Aufgewachsen in Montreal und Goa kam er früh mit dem Nachtleben oder eher mit den After Partys in Berührung, mit Hippies, mit unterschiedlichsten Musikrichtungen. Kein Wunder also, dass Tiga DJ werden musste, sich seinen eigenen Plattenladen kauft und kurz danach noch seinen eigenen Club ‘Sona‘ eröffnet. Und was darf natürlich nicht fehlen in einem DJ/Produzenten Lebenslauf? Das eigene Plattenlabel namens Turbo mit Künstlern wie Chromeo, Azari & III, Gesaffelstein und Duke Dumont. Check!

Nach sechs Jahren und den Alben ‘Sexor‘ und ‘Ciao‘ bekommen wir dieser Tage Tigas neuestes Werk vorgeführt: ‘No Fantasy Required‘. Es hatte sich langsam angekündigt mit Singles wie ‘Bugatti‘, in dem mechanisch anmutende Beats die Tonleiter hoch und runter laufen, begleitet von Stenografen-Sounds. Dieser Song ist so cool, dass man ohne Lederhandschuhe und Sonnenbrille eigentlich nie wieder das Haus verlassen möchte. Genauso rhythmisch und lässig kopfnickend finden wir uns bei dem Song ‘Plush‘ wieder. Spielerisch wird auf dem Synthie herumgedrückt, der Track besticht durch Klarheit und reduzierten Sounds – ein roter Faden, der sich durch das gesamte Album zieht.
Den rollenden Bass finden wir dann bei ‘Don’t Break My Heart‘ – das sind auch die einzigen Worte, die Tiga in diesem Song verwendet. Mit seinen wiederkehrenden Bassschlägen, dem Einzeiler und dieser sich drängenden Monotonie, die dann durch sphärische Klänge aufgebrochen wird und fast in Theatralik umschlägt, ist dieser Song mein persönlicher Favorit des Albums.

‘No Fantasy Required’ ist zurückhaltender und nicht das Club-Album, das man sich vielleicht vorgestellt hätte. Tiga hält sich an klare Soundstrukturen und unkomplizierte Textzeilen. Wer die Techno-Variante zum Leben braucht muss sich mit den Remixen der Songs anfreunden. Wer sich mit Tigas musikalischen Experimenten schon immer zufriedenstellen konnte, der findet auch hier ein Feuerwerk an Ideen und möchte das Album gar nicht mehr aus seiner Playlist nehmen.

Tigas Alben haben eins gemeinsam: Sie dienen als Grundlage für weitere Songs, Remixe und eine Weiterentwicklung in Sachen elektronischer Musik. Keines seiner Alben ist ein Meilenstein in der Geschichte, das muss aber auch nicht sein. Viel wichtiger ist die Vermittlung, dass stehenbleiben keine Option ist. Es muss weiter gehen, auch wenn es ein paar Jahre länger dauert und ohne dabei sich von sich selbst verabschieden zu müssen. Tiga balanciert gekonnt auf diesem schmalen Grat zwischen Altbekanntem und Neuem und kann ‘No Fantasy Required’ definitiv zu seinem persönlichen Meilenstein zählen.

4von5

Tiga – No Fantasy Required
VÖ: 04.03.2016, Counter Records
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