Soll ich noch kurz zum Kiosk gehen
und dann kauf ich so ne billige Flasche Wein
und die trinken wir zu zweit
und dann rauchen wir am Fenster
Aber wir müssen ein bisschen leiser sein
sonst wacht mein Mitbewohner auf
und dann will der auch was trinken
(AnnenMayKantereit – Länger Bleiben)
AnnenMayKantereit waren das große Versprechen des letzten Sommers. Geschickt feilten sie an ihrem Straßenmusiker Image, ein paar Liveaufnahmen auf Youtube, ein paar Konzerte, wohldosiertes Rarmachen also. Dabei schürten sie ordentlich Erwartungen. Jetzt kommt das Debütalbum und wahrscheinlich sind sie damit gerade die meist geliebte und meist gehasste Band in einem. Da sind die einen, die diese Band lieben, für die Reibeisenstimme ihres Sängers und das erdige Image und da sind die, die diese belanglose Kumpelei, die einfachen Texte und das vielen Gereime einfach nur nerven. Denen es die Zehennägel hochstellt wenn Sänger Henning May „Es tut mir leid Pocahontas“ singt und sich fragen: Hoffentlich schämt sich die Ex-Geliebte nicht für so viel Schmalz. Die, die sich die Ohren am liebsten zuhalten würden wenn sich „Bier“ auf „vier“ reimt. Dabei sollte man meinen, wer nicht viel zu sagen hat, kann auch nicht anecken.
Denn das Debütalbum von AnnenMayKantereit ist vor allem eins: Gefälligkeitspop mit Klischeebildern des Alltags. Die gleichen Formulierungen für eine zahnlose Melancholie wie sie schon so zahlreiche Songs durchzogen haben, kein Bild, das überrascht, keine Wortwendung die schmunzeln lässt. AnnenMayKantereit baden textlich nur all zu gern in reaktionärer Lethargie. Dabei ist das ziemlich geschickt gemacht. Die Strophe, erzählt getragen von der gebrochenen Liebe, nur um im Refrain dann doch zur tanzbaren Partygeschwindigkeit zu beschleunigen. Polkabeat! Das funktioniert auf all den Festivals des Sommers ganz wunderbar. Die Stimme immer schön rau herausgepresst. Das klingt nach langen Nächten in verrauchten Kneipen, ein Leben mit Stolpersteinen und Whisky. Authentizitätsgebaren, dem allerdings die inhaltliche Substanz ausgeht um wirklich glaubhaft zu wirken und so zu einem bloßen leblosen Effekt verkommt. Zumal Henning May live auch immer mal wieder aus seiner Reibeisensimulation heraus kippt.
AnnenMayKantereit provozieren nicht von sich aus, lehnen sich nicht aus dem Fenster, gebaren sich auch nicht als unsympathische Machos und doch ärgert ihre provozierende Belanglosigkeit und Unangreifbarkeit. „Ich würd gern mit dir in einer Altbauwohnung wohnen“. Man ist nie ganz sicher ob Feststellungen wie diese ernst oder ironisch klingen sollen, wahrscheinlich sind sich AnnenMayKantereit genauso unsicher wie sie zu solch einer Zustandsbeschreibung stehen, denn selten geht es textlich darüber hinaus. Positionslos taumeln sie durch ihre Songs. Kein Fallstrick, kein doppelter Boden. Die Langeweile des Alltags ohne Pointe. AnnenMayKantereit singen von Problemchen als ob es Probleme wären. Nehme man zum Beispiel ‘Krokodil‘, ein Song über die Tücken des Tourlebens. Das gleiche Thema haben Die Sterne mit ‘Tourtagebuch‘ und Nils Koppruch bei ‘Caruso‘ schon ganz wunderbar mit Witz und Ironie beackert. Mit welch kontemplativer Langeweile hat Frank Spilker den abgestumpften Clubbesitzer zu monotonem Beat intoniert und damit sprachlich wie musikalisch ein Bild geschaffen. Bei AnnenMayKantereit klingt es dann leider doch eher nach dem eingeschnappten Gejammer ein paar verzogener Jungs.
Oh gibt es wunderbare Songs über leere Räume (Weakerthans ‘Sun In An Empty Room’), über verzwickte Lieben (ClickClickDecker ‘Sie Sammeln Zucker! Ich auch’), über die alltägliche Langeweile des Lebens! Nur unterscheidet sie eines von den Stücken von AnnenMayKantereit. Sie finden eine musikalische Entsprechung, eine poetische Sprache, die ihnen eine gewisse Universalität verleiht. Nicht so bei AnnenMayKantereit. Hier gleichen die Songs leblosen Lebenssimulationen eines Mittzwanzigers, dessen Träume gerade bis zur nächsten Altbauwohnung reichen. Wenn man der Band etwas zugute halten kann, dann, dass sie uns die Belanglosigkeit vieler unserer alltäglichen Sorgen eindrücklich vor Augen führen. So bleiben AnnenMayKantereit ein Rückzugsort, an dem utopielose reaktionäre Lebensvorstellungen keine Erschütterung fürchten müssen. Die Kanten des echten Lebens passen dann halt doch in kein Reimschema.
Nichts zu sagen haben ist vielleicht echt, aber trotzdem langweilig. Und am Schluss haben AnnenMayKantereit mit ‘Alles Nix Konkretes‘ gleich selbst die treffendste Beschreibung ihres Albums gefunden.
AnnenMayKantereit – Alles Nix Konkretes
VÖ: 18. März 2016, Vertigo Berlin
www.annenmaykantereit.com
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