Ich hab mir alles geglaubt,
Mir meine Lügen auch
Und dass die Lügen Lügen waren,
Glaub’ ich mir jetzt auch
Wissen ersetzt denken nicht,
Weiß ich nicht, denke ich
Ich hab mich an mir verblendet,
Schrieb Geschichte nur in Blindenschrift
Wollte nicht so sein wie sie,
Wusste, was ich werden muss
Andere Leute werden groß,
Ich mach’ mit dem werden Schluss
Und wenn mich jemand hasst,
Hab ich immer noch irgendwas
Das der jemand gerne hätte –
Alles richtig gemacht
(OK KID – Ich kann alles)
Die Lyrik-Meister OK KID sind mit ihrem zweiten Album ‘Zwei‘ zurück. Seit ihrem selbstbetitelten Debüt von 2013 haben sich die Kölner als eine Stimme ihrer Generation manifestiert, und das wahrscheinlich ganz unabsichtlich. Der Druck, seinen eigenen Weg zu finden, der Drang, immer mehr im Leben zu wollen (man beachte die Zeilen von ‘Mehr Mehr‘) oder Probleme mit Beziehungen — alles Themen der so viel diskutierten “Generation Y“. OK KID finden einen musikalischen Weg, all diese Gedanken und Gefühle auszudrücken, mit denen sich wohl sehr viele identifizieren können. Nach dem Erstwerk und der ebenso bemerkenswerten EP ‘Grundlos‘ von 2014 spinnen die drei Jungs ihre Wortspielerei fort.
‘Zwei’ wirkt zuerst wie ein sehr einfacher Titel, doch wenn man das Cover betrachtet, versteckt sich etwas mehr dahinter: Wortgewandt wie OK KID sind, zeigt ihr Artwork zwei Finger, von denen einer abgetrennt ist. Entweder interpretiert man es als Peace-Zeichen oder als Mittelfinger — genial. ‘Zwei’ ist noch etwas kritischer als das Erstwerk. In Zeiten vieler politischer und gesellschaftlicher Unruhen liefern die Kölner etwas Gehirnfutter, geschickt verpackt im unterhaltsamen musikalischen Mantel aus Pop, Indie und Hip Hop.
Da wäre zum Beispiel die Single ‘Ich kann alles‘, die sich gegen den Leistungsdruck der Gesellschaft wendet und die Botschaft versendet: Akzeptier dich so wie du bist. “Ich weiß wieder, wo mein Herz schlägt“, singt Jonas, bevor ein treibender Beat einsetzt. ‘Zwei’ ist nicht nur textlich, sondern auch soundtechnisch breiter. Mal großflächig poppig, mal elektronisch-tanzbar und dann wieder rockig baut die Band ihre Rap-Indie-Kombination weiter aus. ‘Gute Menschen‘ ist der bisher politischste Track, der der Gesellschaft den Spiegel vorhält und ihre Doppelmoral kritisiert: PEGIDA und AFD mal als Stichwörter genannt.”Weiche Strafen für gewaltbereite Ausländer, no go, nein sie sind keine Nazis, auch sie trinken Kaffee Togo, auch sie waren schon im Urlaub, wo es Schwarze gab, und am Vatertag lief sogar Roberto Blanco, der ein wunderbarer Neger war, wo ist das Problem?“, heißt es in den Zeilen.
Egal ob ein Song über die Hass-Liebe zum Monat Februar oder ein Lied über den geliebten Bombay Gin — OK KID finden für alles die passenden Worte, die nicht einfach so durchs Ohr huschen, sondern im Kopf bleiben. ‘Wisch & Weg‘ parodiert sehr gelungen den Druck, immer gut gelaunt zu sein und sich von seiner besten Seite zu zeigen: “Und wenn die Angst an deinem Stuhl sägt, dann kehrst du sie unter den Tisch, Sorgenfalten kann man bügeln für ein strahlendes Gesicht.” Vielleicht eine Kritik in Zeiten des Selfie- und Selbstdarstellungswahns? OK KID bleiben wie immer doppeldeutig.
Auch gibt es den dritten Teil der ‘Kaffee warm‘-Reihe, der nun die endgültige Trennung von zwei Menschen thematisiert: “Ich will nur, dass du weißt, dass ich weiß, was ich will“, wiederholt Sänger Jonas immer wieder, sodass sich die Zeile fest einhämmert. ‘Euforia‘ ist eine schöne Hymne auf die innere Euphorie, die nach einem längeren Abschnitt der Melancholie wieder auftaucht. “Euforia, ich weiß du holst mich wieder ab, Euforia, nur kurz raus aus dem ewigen Schlaf“. ‘Zwei’ ist der reifere Nachfolger, auf dem OK KID sich zwar nachdenklicher präsentieren, aber es trotzdem schaffen, sich nicht ganz dem Kopfkino hinzugeben. Als kreative Wortmeister fangen sie wieder einmal Sorgen und Wünsche der Zwanziger ein und verschaffen ihnen Gehör. Und darin ist wohl keine andere Band besser als sie.
OK KID – Zwei
VÖ: 08. April 2016, Four Music
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