Foto-©: Francesca Allen
We live our lives in textbooks
And little by little
I feel like
Standing on the desk
And screaming I don’t care
(Let’s Eat Grandma – Deep Six Textbook)
Let’s Eat Grandma, das sind Rosa und Jenny, 16 und 17 Jahre alt, wohnhaft in Norwich, England. Das Cover ihres Albums ‘I, Gemini’ zeigt ihre dystopische Vorstellung einer Märchenwelt, der sie dieses Album widmen. Das verworren düstere Bild beschreibt das Debüt denkbar gut.
Leicht zu fassen ist sie nicht, die erste Platte von Let’s Eat Grandma. Da ist der Einstieg mit ‘Deep Six Textbook’ noch angenehm unkompliziert und die Assoziation liegt zu CocoRosie liegt schon da nicht fern. Wie sollte es auch anders sein, wenn derart zerbrechliche Stimmen sich in dieser Langsamkeit ans Mikrofon wabern. Sehr sympathisch dabei ist, dass man immer wieder ihren deutlichen britischen Akzent durchschimmern hört. Die Drums klingen wie in Wasser getaucht und bilden mit ihrem Hall den Teppich für den Song. Man hängt ihm noch ein bisschen nach, bis das infantile Xylophon von ‘Eat Shiitake Mushrooms’ erklingt. Denkt man im ersten Moment noch, da könnte sich schon wieder eine Ballade anbahnen, wird man nach etwa einem Drittel des Songs von einem leichten elektronischen Beat überrascht. Was kommt da denn jetzt? Irgendwann dann wieder dieser hohe Gesang und dann? Rappt auf einmal eine der beiden. Das hat bisher so angenehm wenig mit Schema F zu tun.
Bei ‘Sax In The City’ kommt dann ein weiteres Instrument hinzu, ein – wie sollte es anders sein – sehr cooles Saxophon. Obwohl besagtes Instrument gerade in der populären Musik dazu neigt, einen unfassbar schnell auf den Sack zu gehen, hält sich hier der Einsatz die Waage, es bereichert den Song viel mehr und lässt es immer wieder zu, dass sich der Fokus auf den Gesang richtet. Dann wieder eine Mandoline bei ‘Chimpanzees In Canopies’, ein Piano bei ‘Rapunzel’ und eine Ukulele bei ‘Uke 6 Textbook’. Die beiden Songs ‘Welcome To The Treehouse Part I & II’ bilden das zentrale Stück des Albums. Ganz geisterhaft schleicht sich der Gesang heran und wird aus dem Hintergrund immer lauter, schafft es aber nie ganz nah an das Mikrofon. Part I beschwört eine nahezu gruselige Stimmung herauf und leitet dann in die nervösen Drums von Part II über. Die Nacht legt sich über den Nebel des Waldes und verfolgt diese beiden Künstlerinnen bis zur Atemlosigkeit.
Einige Anläufe waren nötig, damit sich diese Platte entfalten konnte. Da ist irgendwie alles drin: Pop, RnB, HipHop, Singer-Songwriter, Blues, House. Man weiß gar nicht genau, wie sie einzuordnen ist. Die vielen überraschenden Momente in Form von Instrumentenvielfalt oder Tempowechseln sprechen für sich und unterstreichen die Komplexität der Platte. Als Ambivalenz steht dem diese Kindlichkeit gegenüber, die ihren ganz eigenen, teilweise fremdartigen, Charme hat. Let’s Eat Grandma haben sich da ihre ganz eigene Märchenmusik gesponnen.
Let’s Eat Grandma – I, Gemini
VÖ: 17. Juni 2016, Transgressive
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