“If you want to leave, don’t breathe
If you want to leave, don’t breathe
If you want to leave, don’t breathe
A word, and let the world turn
The song the song it spins the song it spins it spins no more
The phone it rings it rings and you won’t stay
Don’t touch me
Don’t touch me
Don’t touch me
Don’t touch me”
(Nick Cave – Girl In Amber)
Trotz dem es wenig Informationen, keine Interviews und keine Kommentare vor Veröffentlichung dieses Albums gab: Nick Caves 16. Studioalbum überrascht nicht, vielmehr erklingt darauf das Naheliegende und dennoch schwer zu Verarbeitende: vertonte Trauer in ihrer essentiellen Tiefe. Galt der Australier schon immer als Erzähler düsterer Geschichten, schafft ‚Skeleton Tree‘ eine noch nicht gekannte, bis ins Fatalistische reichende Dunkelheit, die in keinem Moment der acht Songs überhört werden könnte.
Das Getragene, das Zerbrechliche bleibt immer präsent: In der Instrumentation, die fragmentarisch-minimalistisch bleibt, kaum eine Rhythmik vorweist und Melodien nur sparsam andeutet. Im Gesang, der genauso selten melodisch-rhythmisch, sondern häufig in Form flüsternder, bisweilen zittriger Monologe daherkommt. Und an den Texten wird deutlich: Nick Cave hat viel zu sagen – zuweilen kryptisch, nahezu assoziativ und im nächsten Moment wieder so deutlich, dass sie schwer erträglich sind. Denn letztendlich lässt dieses Album nicht rezipieren, ohne die tragische Geschichte um den Sohn Nick Caves im Gedächtnis zu haben, der im Sommer 2015 bei einem Sturz von einer Klippe tödlich verunglückte.
Hatten Nick Cave & The Bad Seeds bereits vor dem tragischen Ereignis mit den Aufnahmen für ein neues Album begonnen, nahmen diese anschließend eine andere Richtung ein. Dieses Geschehnis wird somit beinahe zur Höranleitung für ‚Skeleton Tree‘: Ahnt man die Trauer, die der Sänger durchleben muss auch nur ansatzweise, lässt sich in jedem Lied ein Bezug finden, in jeder holprig gesungenen Zeile eine tiefere Bedeutung lesen und es entsteht ein tiefes Verständnis für diese Musik, das einfach unentrinnbar ist.
Der am Vortag der Veröffentlichung dieses Albums gezeigte Film ‚One More Time With Feeling‘ verdeutlicht die Überschneidungen von Trauer- und Aufnahmeprozess noch deutlicher. Ob durch das unheilvolle Wabern und Zirpen in ‚Jesus Alone‘ oder durch die kaum greifbare Struktur in ‚Anthrocene‘: ‚Skeleton Tree‘ ist ein hypnotisches Album, das in seinen Ansätzen unvollendet und holprig wirken mag, in keinem Moment jedoch unbedarft, sondern stets gekonnt und bewusst unverständlich erscheint. Mal flirrend, mal rauschend, mal dröhnend: So führt Nick Cave den Hörer mit an den Abgrund – unfassbar berührend, dabei aber niemals pathetisch.
Nick Cave & The Bad Seeds – Skeleton Tree
VÖ: 09. September 2016, Bad Seed Ltd.
www.nickcave.com
www.facebook.com/nickcaveandthebadseeds