I saw a crash on the interstate
It left a feeling I could not shake
Just a name in a database who must be notified
It’s not a phone call I wanna make
A stranger answers, I hesitate
Got some bad news that couldn’t wait
Are you sitting down?
(Conor Oberst – Next of Kin)
Kaum zu glauben, dass bereits 14 Jahre seit dem Erscheinen des Durchbruch-Albums des damals zum Folk-Wunderkind erkorenen Conor Oberst, ‘Lifted or The Story is in the Soil, Keep Your Ear to the Ground‘ vergangen sind. Die Tatsache, dass einem die Songs dieses Albums immer noch so gegenwärtig sind, spricht einmal mehr für die Zeitlosigkeit und emotionale Eindringlichkeit, die Obersts Songwriting seit jeher auszeichnet.
Und dennoch ist seitdem eben auch viel passiert: Alben mit dem Nebenprojekt Desaparecidos folgten ebenso wie Soloprojekte, oder das vielsagend betitelte Bandprojekt Monsters Of Folk. Und obwohl Oberst damit eine breite Palette an musikalischem Output in den letzten 14 Jahren hervorgebracht hat, ist sein neues Album ‘Ruminations‘ wohl dasjenige, was am deutlichsten an die Anfangsjahre seiner Karriere erinnert.
Zusammen mit seinem Bright Eyes-Kollegen Mike Mogis nahm Oberst sämtliche Songs über einen Zeitraum von nur 48 Stunden auf, nachdem er diese während einer gesundheitlich bedingten Zwangspause im heimatlich-winterlichen Omaha, Nebraska geschrieben hatte. Und diese einsame Zwangspause im ländlichen Herzen der USA schlägt sich auch deutlich auf ‘Ruminations’ wieder: die Songs leben einzig und allein von Obersts Gesang und sind minimalistisch instrumentiert: ein Klavier oder eine Gitarre, ab und zu eine Mundharmonika – mehr nicht. Diese Reduzierung gewährt Obersts Songwriting das Spotlight – und seine Musik war schon immer mehr davon gekennzeichnet WAS er singt, und nicht WIE er es singt. Auf ‘Ruminations’ wird das einmal mehr zum Fokus – die Songs klingen roh und ungeschliffen, aber die Texte spiegeln Introspektive und Sensibilität wieder, Einsamkeit und Trotz, Zerbrechlichkeit und Isolation. Noch immer, so scheint es, ist Oberst mit sich selbst im Widerspruch – eine Tatsache, die sich mit dem Zuschreiten auf die Lebensmitte sicherlich nicht so schnell auflösen wird. “I don’t want to feel stuck baby, I just want to get drunk before noon,” besingt Oberst in ‘Barbary Coast (Later)‘ seinen Zwiespalt; doch trotz der melancholischen Selbsterkenntnis weiss Oberst auch immer den Blick von sich selbst auf die Welt um sich herum zu werfen. ‘You All Loved Him Once‘ lässt sich da schon ziemlich deutlich auf die momentane politische Situation der USA beziehen.
Ein weiteres Highlight ist das melancholische ‘Next of Kin‘, das mit seiner folkigen Mundharmonika fast schon an Bob Dylan erinnert, sowie das sarkastische ‘A Little Uncanny‘.
‘Ruminations’ ist ein wunderbarer Flashback ins Jahr 2002 und gleichzeitig ein absolut zeitgemässes Album für das so verkorkste Jahr 2016, das so vielerorts von tragischer Stagnation und Brutalität gekennzeichnet war. Das Album ist eine wunderbare Erinnerung an die Kunst dieses stillen Amerikaners, und seine tragische Poesie strahlt einem aus jedem Song entgegen.
Conor Oberst – Ruminations
VÖ: 14. Oktober 2016, Warner Music Germany
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