We’ve been here before
But I don’t remember a lock on the door
Is it keeping me out or you in?
Strange how these city streets have changed faces
Like we did
(American Football – Where are we now?)
„Where are we now?“ Mit dieser Zeile beginnt das zweite Album von American Football. Das zweite Album, das 17 Jahre nach dem Erstling erschienen ist. Eine lange Zeit zum Mythen bilden und für Veränderung. Kann man also überhaupt dort weiter machen, wo man vor 17 Jahren aufgehört hat? Die Musiklandschaft hat sich ganz schön verändert. Anfang 2000 kaufte man mehrheitlich CDs, heute hat sogar Lidl wieder Plattenspieler im Angebot und der Begriff „Emo“ hat als Beschreibung eines Modephänomens ebenfalls eine ganz andere Bedeutung erlangt.
Doch woher kommt unsere Angst vor Alben von Bands, die sich nach langer Zeit wieder zusammengefunden haben. Wohl aus den exorbitanten Erwartungen und Wünschen, die sich über die Zeit aufgebaut haben, in all den Momenten, die wir mit dem alten Album verbracht haben und Geschichten über die es uns hinweggeholfen hat. Es gab so viel Zeit, in der die Musik ein Eigenleben und eine eigenen Bedeutung gewinnen konnte. Das sind Vorraussetzungen, denen wohl keine Band gerecht werden kann. Ein weiteres Album scheint wie ein musikalisch vorgeschriebene Interpretation, des alten.
American Football aber beweisen zumindest, das gute Songs, doch so etwas wie zeitlos sind und es ist ja auch nicht so als wären die Mitglieder untätig gewesen. Und doch bleibt die Frage:Wo stehen American Football mit diesem Album? Wie geht man um mit einer HighScool Band ohne bei einem unsäglichen Klassentreffen oder lamentierender Nostalgie zu landen? Wie klingt „Emo“ wenn ihn Mitvierziger machen, ohne die drängenden Fragen der Jungend? Das Cover zeigt das gleiche Haus wie vor 17 Jahren, nur diesmal von innen; wieder ist die Platte unbetitelt. Musikalisch ist das alles nicht weit weg vom ebenfalls selbstbetitelten Debüt.
Alles klingt ein wenig klarer, besser produziert. Aber die Gitarre wirft einem immer noch diese kleinen Melodien vor die Füße, und das Schlagzeug schlägt kleine Kapriolen und verweigert sich geschickt dem schnöden vier viertel Takt. Fragmentarisch setzen sich die einzelnen Teile zu einem Song zusammen. Klar perlt der der Sound der Gitarre, wie die Sonne an eisig kalten Tagen. Ab und an kommt es zu einem Lärmausbruch, doch das eher selten.
Das Glockenspiel scheint aus Mike Kinsellas Nebenprojekt Owen mit hineingerutscht zu sein. Allgemein ist alles ein wenig sanfter. So weit so gut, die meisten Beschreibungen hätte man wohl schon für das erste Album auffahren können.
Aber Textlich schein sich einiges gewandelt zu haben: Fragen nach zu hause, nach dem Stand im eigenen Leben sind eigentlich noch immer Identitätsfragen, aber nun weniger mit der dringlichen Suche als vielmehr in einem sentimentalen Rückblick über die eigene Selbstverortung. Damit sei auch der Zweifel aus dem Weg geräumt, ob so etwas wie Emo ab einem bestimmten Alter noch geht (eigentlich sowieso eine sehr merkwürdige Frage, die nur stellen kann, wer aufgehört hat sich selbst zu hinterfragen). Zweifel und Wut, so wie die Frage wo man steht und sein will, sind kein Privileg der Jugend.
“Where are we now? / We’re both home alone in the same house / Would you even know me if I wasn’t old me? / If I wasn’t afraid to say what I mean?”
Mit LP2 schlagen American Football zwar kein neues musikalisches Kapitel auf, sondern erzählen dort weiter, wo sie aufgehört haben, aber genau das dürfte viel Fans glücklich machen und viele neue auch. Und wenn es stimmt, dass LP2 hauptsächlich deswegen entstanden ist, um mehr Songs für die Konzerte zu haben, die American Football seit einiger Zeit wieder spielen, dann sind es gute Songs um weiter zu schwelgen.
American Football – American Football
VÖ: 21. Oktober 2016, Polyvinyl
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