The comedy of man starts like this
Our brains are way too big for our mothers’ hips
And so Nature, she divines this alternative
We emerged half-formed and hope that whoever greets us on the other end
Is kind enough to fill us in
And, babies, that’s pretty much how it’s been ever since
(Father John Misty – Pure Comedy)
Beim ersten Hören könnte man meinen, Pure Comedy sei eine der politischsten Platten der letzten Jahre geworden. Tatsächlich würde ihr das nicht gerecht werden, schließlich behandelt Joshua Tillman, der seit 2012 unter dem Pseudonym Father John Misty bekannt ist, die Ironie der Menschheit in all ihren Facetten. Religion, Kunst, Politik, Digitalisierung, Sport … In dreizehn großartigen Tracks und einem dazugehörigen Essay, wird die ganze Absurdität des menschlichen Seins abgehandelt.
Geboren werden wir als halbentwickelte Wesen, deren Gehirne zu groß für die Hüften unserer Mütter sind. Das ist nicht nur der Beginn der Komödie sondern auch der des Openers Pure Comedy, der mit dominierendem Piano und dramatischen Streichern die Ursachen unserer Misere behandelt. Wir versuchen unser nichtiges Leben mit Bedeutung zu füllen, durch die Erschaffung eines Gottes oder der Flucht in Banalitäten. Es geht um Machtverhältnisse, unseren rücksichtslosen Umgang mit dem Planeten, die Verlogenheit der Kirche und den Einfluss unserer Erziehung. Dabei sei doch nur eines entscheidend: „I hate to say it, but each other’s all we got“
Die Art und Weise, die Tillman wählt, um uns all das vor Augen zu führen, könnte sehr amüsant sein, würde man sich nicht eingestehen müssen, dass all das schon längst nicht mehr die Fantastereien eines 35-jährigen Folk-Rock Musikers sind. Und so erstaunt es auch nicht, dass die Texte, die größtenteils schon vor zwei Jahren entstanden sind, wohl besser denn je in die Gegenwart passen. „Where did they find these goons they elected to rule them? / What makes these clowns they idolize so remarkable? / These mammals are hell-bent on fashioning new gods / So they can go on being godless animals“, singt er, während im dazugehörigen Video immer wieder Trumps Gesicht auftaucht.
Der optimistischere Klang des zweiten Tracks Total Entertainment Forever trügt. Auch hier erwartet uns Tillmans dystopisches Weltbild, doch dieses Mal geht es um die Digitalisierung. Darum, dass wir dabei sind, unser Schamgefühl und den Respekt voreinander zu verlieren, weil wir uns hinter einer virtuellen Identität verstecken, die immer weniger mit uns selbst zu tun hat.
Wem das zu viel Kritik an der Menschheit ist, darf sich auf Joshua Tillmans dreizehnminütige Selbstreflexion Leaving LA freuen. Zunächst nur von einer Gitarre begleitet, erzählt er uns von seiner privaten und musikalischen Vergangenheit, die schließlich in der Entstehung dieses Albums mündet, das sich dann jedoch auch gleich wieder mit der halbentwickelten Spezies befasst: Drogensucht (A Bigger Paper Bag), dem Schwarz-Weiß-Denken der amerikanischen Politik (Two Wildly Different Perspectives) oder dem viel zu leichtfertig verwendeten Kunstbegriff (The Memo). Und zwischendrin immer wieder Anspielung auf sein zerrüttetes Verhältnis zu Gott. Oder eben auch nicht, denn seine Existenz sei dahingestellt.
Was dieses Album so spannend macht? Es ist klug. Es lässt einen bei jedem Hören neue Anspielungen entschlüsseln und es macht trotz aller Düsternis Spaß. Denn Father John Misty ist immer noch ein Showman, der sich mit Gospelchor und dramatischer Orchesterbegleitung schmückt und etwas größenwahnsinnig dabei wirkt, sich alle Fragen der Menschheit auf einmal zu stellen. Aber eben nur etwas, denn eine Lösung kann er uns schließlich auch nicht bieten.
„The piano player’s playing „This Must Be the Place“ / And it’s a miracle to be alive / One more time / There’s nothing to fear / There’s nothing to fear / There’s nothing to fear“
Father John Misty – Pure Comedy
VÖ: 7. April 2017, Bella Union
www.fatherjohnmisty.com
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