Ich kann nicht raus aus meiner Haut
sie ist wie ein Verließ.
Aber ich vertrau darauf,
dass du dahinter siehst,
was für dich schlägt
(Fotos – Haut)
Fotos melden sich zurück mit einem neun Stücke umfassenden Poweralbum, namens Kids und zeigen sich damit nach sechs Jahren Funkstille erneut von einer anderen Seite. Kannte man die vier Hamburger Jungs zu Beginn ihrer Karriere doch vor allem für ihren gradlinigen Indie-Rock, haben sie sich wie schon mit der letzten Platte Porzellan angekündigt, nun noch weiter in Richtung Pop entwickelt, der gefühlt ausschließlich aus Synthesizern, Schlagzeug und Gesang besteht, aber mitreißt und spannend ist.
Von der ersten bis zur letzten Sekunde des Albums steckt man ganz tief drin, weil ständig etwas passiert oder man durch überraschende Textzeilen – wie: „Dein Kuss schmeckt perfekt zu Eis im Glas auf Sekt mit Blick auf das andere Ufer“ – wieder aufgeschreckt wird, wenn der Kopf in die spacigen Weiten der Musik abdriftet. Die ganze Platte behält so eine Art experimentellen Charakter, bei dem ständig irgendetwas verpufft, langsam brodelt oder explodiert und den Hörer erschlägt. Oft treiben tanzbare Beats das Album voran, wie bei Alles Offen. An anderen Stellen, wie im Zwischenteil von Melodie des Todes oder bei Ozean erzeugen friedvolle Klangbahnen mit fast epischen Momenten eine angenehme Entspannung, die dann wieder in ein großes Feuerwerk mündet. Dazwischen schustern sie sehr in den Gesamtklang passend ihre Textzeilen, die sehr gut mit der Musik verschmelzen. Bei dem eigentlich eher schwachen Niemand zeichnet sich deutlich die Experimentierfreudigkeit ab. Mit einem stumpfen durchlaufenden Beat und eher bedrohlichen Harmonien werden allerlei Sounds gemixt und auf verschiedenste Weisen verpulvert, so dass letztlich doch noch etwas Spannendes daraus wird. Wenn man will, kann man darin durchaus Tendenzen von einem Notwist Live-Set hören.
Sehr erwähnenswert ist auch Haut, ein Liebeslied, so unkompliziert im Text, so schön in der Aussage: „Ich kann nicht raus aus meiner Haut, sie ist wie ein Verließ, aber ich vertrau’ darauf, dass du dahinter siehst, was für dich schlägt“. Dass bekommen so treffend und simpel nicht viele heute hin, grade wenn wir an die Deutsch-Pop-Songs à la Poisel denken, die Woche für Woche die Radios fluten.
Kids ist ein bemerkenswertes Album voller Pop-Hymnen mit ebenso viel einfacher Ohrwurmmelodien, wie experimentellem Kraut. Wenn Fotos sich immer wieder so aus der Versenkung melden, dann kann man sich regelmäßig auf hochkarätigen Nachschub im deutschsprachigen Pop freuen.
Fotos – Kids
VÖ: 31. März 2017, CNTCT
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