SYLVAN ESSO – What Now

Do you got the moves?
To make it stick, yeah
To get the clicks, yeah
Technicolor your every move
Can you keep ‚em coming?
Like a machine, yeah
Be your „Blue Jean“ yeah
What can we do to get you on the news?
Slave to the radio, slave to the radio, slave to the radio
3.30

(Sylvan Esso – Radio)

Vor knapp drei Jahren veröffentlichten Amelia Meath und Nick Sanborn mit und als Sylvan Esso eins der besten Pop-Debüts des aktuellen Jahrzehnts. Für Album Nummer Zwei stellt sich das Duo die Frage nach dem Danach und benennt die Scheibe passenderweise: What Now. Der Produzent aus Wisconsin und die Sängerin aus Brooklyn trafen sich, als Amelias Folktrio Mountain Man und Nicks Soloprojekt Made of Oak zufällig zusammen auf einen Gig in Milwaukee gebucht wurden. Amelia bat Nick um den Remix eines Songs – und sechs Monate später war mit Play It Right die Basis für Sylvan Esso geschaffen.

Ihre erste Singleauskopplung stellte fest, dass Pop durchaus mit Hirn klarkommt und definierte den Kriegspfad mit dem musikalischen Status Quo des Pop, auf den sich Sylvan Esso von dort an begaben. Mit Coffee schufen sie eine sanfte Tanzhymne auf die gescheiterte Liebenswürdigkeit einer immerzu haltlosen Generation. Inhaltlich trotz offensichtlicher Erster Welt-Probleme vollkommen okay, der zugehörige Hype absolut verdient.

Und jetzt? Neue Richtung einschlagen? Nö. Wieso auch?

Seit Jahren versuchen sich sämtliche „The“ Bands und ihre Nachfolger an der perfekten Verbindung von Indie und Elektro, die Sylvan Esso in dem Moment in den Schoß fällt, da sie versuchten, die seelenvolle Stimme Meaths mit der elektronischen Sprechweise Sanborns zu einer gemeinsamen werden zu lassen. Gemeinsam schütteln sie ein paar Tunes aus dem Ärmel, deren Leichtigkeit anderen die Tränen in die Augen treibt. Sylvan Esso treffen auf soviel Zuspruch, weil sie die musikalische Sozialisation so vieler Zwanzig- bis Dreißigjähriger widerspiegeln, die im Ton der Folk-Gitarre aufwuchsen und anschließend hinausgeworfen worden in die dumpf-nächtlichen Bässe der Großstadt.

Gleich der Aufmacher von What Now zeigt, dass Sylvan Esso durchaus in der Riege der Großen mitspielen dürfen und sollten: Selten klangen Maschinen, die Tonschnipsel und vom Syntheiszer bis in die Unkenntlichkeit entfremdeten Vocals so zart wie bei Sound. Digitales zu einer humanen Melodie verweben – das gelang zuletzt Bon Iver auf 22, A Million. Amelia Meath ist für die Textarbeit zuständig und packt ihre wichtigste Message direkt in die erste Singleauskopplung Radio, die paradoxerweise trotz oder gerade wegen der offenen Häme gegen die Hit-Hascherei der auf die kommerzielle Radioszene ausgerichteten Musikindustrie (und den Druck, den eben diese auf sie als Band ausübt) fast schon zum größten Erfolg im Radio wurde.

Probleme damit, Hits zu schreiben, hatten Meath und Sanborn gewiss noch nicht. Ihr selbsterklärtes Ziel war schon bei Sylvan Esso Pop zu machen. Eine Pop-Platte ist auch What Now geworden; kein Click-Bait-Pop, sondern Musik, die berührt, auf die sich getrost alle Schulfreunde bei einer Reunion einigen können und zu der getanzt werden kann, ohne sich mitsingend zum Objekt degradieren zu müssen. Auch im hinterwäldlichen Durham, North Carolina, in das es Sylvan Esso gezogen hat, bleibt das Duo ein wacher Beobachter des Jetzt. Da braucht es kein politisches Statement, das hier ist ein privates, ein menschliches Spektrum. Es geht um Ängste (Slack Jaw), Nostalgie (Glow), Freuden, Hoffnungen.

Während der emotionale Tiefpunkt des Albums, Slack Jaw von der Melancholie spricht, die sich auch nicht fernhält, wenn man scheinbar alles hat, ist Kick Jump Twist so aufdringlich treibend, die Vocals so lasziv ausufernd, dass es echte Überwindung kostet, an der Supermarktkasse nicht durch unpassende Tanzeinlagen aufzufallen – und letztlich dort zu landen, wo die Protagonisten des Songs so gerne sein würden.

What Now hat seine Schwächen, z.B. wenn selbst Amelia Meath auf Just Dancing die nötige Motivation dafür fehlt. Trotz ruhigen Schätzen wie Sound holt selbst den eingefleischtesten Fan auf 10 Titeln und 37 Minuten Spieldauer die Eintönigkeit ein. Konzipiert ist das Album aber wie alles im Sylvan Esso-Kosmos für die Bühne. Wenn Meath und Sanborn dort erst richtig loslegen, wird sowieso jeder Song zum Hit.

Wenn Future Pop, dann doch bitte so!

Sylvan Esso – What Now
VÖ: 28. April 2017, Loma Vista Recordings
www.sylvanesso.com
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