ARCADE FIRE – Everything Now

Some boys hate themselves
Spend their lives resenting their fathers
Some girls hate their bodies
Stand in the mirror and wait for the feedback

Saying God, make me famous
If you can’t just make it painless
Just make it painless

(Arcade Fire – Creature Comfort)

Wann immer Arcade Fire ein neues Album rausbringen, steht die Musikwelt still und lauscht. Nichts weiter als ein neues Meisterwerk wird erwartet. Die LPs Nr. 1 (Funeral) und Nr. 3 (The Suburbs) werden noch einmal aufs ausdrücklichste gelobt. Mit diesen und den anderen beiden, nicht ganz so fantastischen Alben stünden Arcade Fire unangefochten auf dem Indie-Thron. Wer sollte ihnen denn das Wasser reichen können? Die immer gleich traurigen The National klingen immer zu gleich traurig. Tame Impala sind zu unnahbar. Und Radiohead spielen ja eh in ihrer ganz eigenen Liga (weil sich keiner zum Vergleich traut). Arcade Fire sind einfach die perfekten Kiritikerlieblinge. Alles wird brav gut gefunden. Selbst wenn sie anlässlich des orangenen Toupethalters eine mediokre politische Single online stellen, fordert bestimmt irgendwer einen Friedensnobelpreis.

Nr.5 Everything Now, dieser Tage auf Columbia Records erschienen, wird da keine Ausnahme machen. Bei dem Titel werfen sich natürlich schnell Fragen auf: Was ist neu? Und wie gut ist es?

Die Vorabsingle, die gleichzeitig das Titelstück ist, hat schlimmes erwarten lassen. Dieser komische Mix aus ABBA-Klavier, Pan-Flöten, James Bond-Streicher, Publikums-Chor und anderen Bindestrich-Sünden kann zum Glück nicht als Stellvertreter für das ganze Album hergehalten werden. Selbst das fast gleichnamige Intro klingt ganz anders. Win Butler begrüßt uns hier mit den Zeilen „I’m in the black again. Can’t make it back again.“, was nicht nur inhaltlich an David Bowie erinnert. Die kurzen 46 Sekunden münden in ein Finale vergleichbar zu A Day In The Life. Die große Geste wird wie so oft nicht gescheut. Hier gibt es die kraftvolle Gesellschaftskritik (Creature Comfort), dort den spaßigen Polka-Rocker (Chemistry). Am Ende noch ein schmalzig schöner Schmachtfetzen (We Don’t Deserve Love), bevor das Outro Everything_Now (continued) wieder zum Intro wird und zur Endlosschleife einlädt.

Vielleicht sollte man dieses Album auch einfach nicht auf einzelne Songs reduzieren. Als Gesamtwerk betrachtet kommt die große Stärke der Band zum Vorschein: Sie hat gelernt die Vielseitigkeit der einzelnen Mitglieder reibungslos in spannende und relevante Indiemusik zu verwandeln. Diese evolutionäre anstatt revolutionäre Entwicklung hat zwar nicht zum nächsten Meisterwerk geführt. Ein gutes und sehr interessantes Album ist Everything Now aber eindeutig geworden.

Arcade Fire – Everything Now
VÖ: 28. Juli 2017, Columbia Records
www.everythingnow.com
www.facebook.com/arcadefire

Jonathan Hirschhäuser

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