Foto © Tajette O’Hallaran
Jen Cloher hat vor kurzem ihr neues Album veröffentlicht, deshalb hatte ich sie per Skype in meinen Kopfhörern. Sie ist eine beeindruckende Frau, das wird mit jedem Artikel deutlicher, den ich im Zuge der Interview-Vorbereitung von ihr lese. Schon das erste Soloalbum ware ein großer Erfolg und auch die beiden Platten als Jen Cloher & The Endless Sea. Trotzdem erzählt sie, wie schwer es für sie war, als ihre Partnerin Courtney Barnett erfolgsmäßig an ihr vorbeizog und kurz mal die ganze Welt in Aufruhr versetzte. Diese Offenheit ist entwaffnend sympathisch, schade dass wir nur eine Viertelstunde Zeit haben. In den paar Minuten geht es dann natürlich um die neue Platte, aber auch um die Musikszene in Melbourne und ihr feministisches Engagement.
Dein neues Album trägt deinen Namen. Für gewöhnlich machen das Künstler bei ihrem Debütalbum. Kann man das deshalb als eine Art Meilenstein verstehen? Also ist das die echte Jen Cloher?
Es steckt definitiv so eine Botschaft dahinter, denn es ist ein sehr ehrliches Bild, wie ich wirklich bin. Es ist aufrichtig und real.
Wie schreibst du deine Songs? Erst den Text oder erst die Musik?
Zuerst kommt normalerweise die Musik. Das ist für mich dann sowas wie der emotionale Kern des Songs und dann folgt der Text diesem Gefühl. Für mich ist das die natürlichste und stärkste Weise mit dem Songwriting zu beginnen.
Dein Song Kinda Biblical erinnert mich an PJ Harvey. Ist sie ein Einfluss für dich? Und gibt es noch andere?
Oh ja, sie ist die beste Musikerin meiner Generation und sie war schon immer ein großer Einfluss. Sie wird auch einfach immer besser. Ich habe sie letztes Jahr wieder einmal live gesehen und es ist unglaublich, wie sie das Publikum in ihren Bann zieht. Sie lief einfach mit ihrem Saxophon mit den anderen auf die Bühne und hat schon da diese Ausstrahlung, ohne überhaupt angefangen zu haben. Dann sind da andere große Künstlerinnen wie Patti Smith, aber auch Neko Case und Cate Le Bon, die mit Crab Day im letzten Jahr eines der besten Alben veröffentlicht hat.
In einem Talk hast du gesagt: „There has never been a better time to be a woman in independent music.“ Was meinst du damit?
Ich habe das Gefühl, dass es gerade eine weltweite Entwicklung ist und dass Frauen gerade die beste Musik jemals machen. Man muss sich nur einmal so Künstlerinnen wie Aldous Harding, Angel Olsen, St. Vincent oder Courtney Barnett anschauen. Wir machen da einen großen Schritt in Richtung Gleichberechtigung, wobei es immer noch ein langer Weg ist.
Würdest du dich als Feministin bezeichnen?
Ja. Es gibt immer noch sehr viel Ungerechtigkeit, zum Beispiel, dass es in hohen beruflichen Positionen wenig Frauen gibt und dass sie schlechter bezahlt werden. Gerade in der Musikindustrie ist dieses Ungleichgewicht ein großes Problem. Aber das Gute ist, dass es mittlerweile eine hörbare öffentliche Debatte gibt, die diese Zustände in Frage stellt.
Du engagierst dich ja nicht nur als Musikerin in der Musikszene in Melbourne, sondern hast mit Courtney Barnett zusammen auch das Label Milk! Records gegründet. Was ist das Besondere an der Szene in Melbourne?
Also erstmal ist Australien wirklich weit weg von anderen musikalischen Zentren und durch die großen Distanzen ist es nicht so gut vernetzt wie das in Europa der Fall ist. Man ist isoliert und so hat sich eine bunte eigene Gemeinschaft gebildet. Es gibt viele Indie-Labels und öffentliche Radiostation, die die Künstler aus der Szene wiederum unterstützen. Darüber hinaus gibt es ein große Unterground-Punkrock-Szene, in der es auch viele female fronted Bands gibt, die auch keine Angst vor Politik in ihren Songs haben. Es gibt viele spannende Bands und der Eintritt für die Clubs ist günstig. Wenn du Musik liebst, musst du unbedingt nach Melbourne kommen!