I am not a righteous woman
I’m more of an ass man
And when I go to spread, it’s just to
Take up all the space I can
You notice
You know this
(Torres – Righteous Woman)
Mackenzie Scott hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Blick auf sich selbst und das Umfeld, das sie umgibt, zu ändern. Ein Lernprozess, in dem die 26-Jährige Wahl-Brooklynerin lernt, sich selbst zu lieben und ihre Sinne in vollen Zügen zu schätzen und wachsam zu nutzen. Unter ihrem Alter-Ego Torres veröffentlicht die ursprünglich aus Nashville stammende Musikerin mit Three Futures ihr nunmehr drittes Studioalbum im neuen Labelzuhause von 4AD.
Three Futures ist vollgepackt mit Ansätzen und Ideen, in denen Scott alle menschlichen Sinne mit ihrer Musik erkundbar zu machen versucht – “I wanted each song to be a completely consuming experience.” Zehn Stücke, deren Qualität durch einen unglaublich organischen Klang besticht, stellt die Songwriterin dem Hörer zur Erkundung zur Verfügung. Zentrales Motiv ist der menschliche Körper und der Raum, den dieser einnimmt. “There’s no unlit corner of the room I’m in” singt Scott in ihrer ersten Single Skim begleitet von programmierten Drums, aufbauschenden Synthies und einer immer wieder aufheulenden E-Gitarre, die sich zum Schluss mit einem Solo durchsetzt. Mit Hilfe des eigenen Körpers werden nicht nur im physischen Sinne Räume und Nischen erkundet – Scott durchleuchtet ihre Gedankenwelt und ihr Unterbewusstsein und kommt zur Einsicht: “I’m only the skim of what has already been / I know every tense in which I cannot exist”. Die Musikerin blickt hier auf mögliche Zukunftsszenarien und scheint sich über deren Wahrscheinlichkeiten bewusst zu sein – gekonnt wird die Verbindung zu ihrem Albumtitel bereits hier geknüpft: Gibt es für Scott nur “Three Futures”?
Das Unterbewusstsein als Ideen- und Inspirationsquelle – für Scott geht der Plan auf diese Weise ertragreich auf. Unbekanntes und möglicherweise zuvor Unterdrücktes wird erkundet und letztendlich in lebhaften Songs verarbeitet: “In this world that I’m creating, what if someone could listen to this song and not only experience it with their ears – but also with their eyes, taste buds, hands, feet, and nose?” Interessant ist vor allem die spezielle Herangehensweise im Songwriting und der letztendlichen Zusammenfassung der Songs zu einem Album – ausgelegt wie in einem Blueprint eines Hauses, stellte sich Scott jeden Song als individuellen Raum vor, der durch Charakteristika wie Gerüche und Farben beschrieben wurde.
So kanalisiert das Stück Helen in the Woods eine tobende, nahezu wütende Energie. Thematisiert wird die Besessenheit eines weiblichen Stalkers – eine repetitive Instrumentierung und Scotts in Momenten wahnsinnig wirkenden Gesang, erschaffen eine beängstigende Atmosphäre: “You come home from school to find her naked in your bed / Everybody always said Helen’s funny in the head”. In einem späteren Interview erklärt Scott, dass Helen in the Woods schon früh passenderweise als der “Rote Raum” ihres ‘Songwriting-Hauses beschrieben wurde.
Mit Marble Focus erklingt wohl einer der besten Songs des Jahres, dessen erste Beats und Töne sofort unter die Haut gehen. Dezente Spielereien mit Echos und Gitarreneffekten schaffen eine detailreiche Dichte – das Stück mit den knappsten Lyrics braucht nicht viel mehr als Scotts warmen Sopran, um Gänsehaut zu hinterlassen.
Mit jedem Hördurchlauf entfaltet sich Three Futures auf eine neue Art und lässt zuvor unentdeckte Details an die Oberfläche strömen, die eine Reihe unterschiedlicher und vor allem intensiver Gefühle auslösen. Scott hat Recht – dieses Album scheint sich auf eine mysteriöse, teilweise unheimliche Art mit allen Sinnen entdecken zu lassen. So findet Scott auf dem letzten Stück der Platte die wohl besten Schlussworte für dieses grandiose Hörerlebnis – “To be given a body is the greatest gift”.
Torres – Three Futures
VÖ: 29. September 2017, 4AD
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