LUCY DACUS – über das Erwachsenwerden

Die heiß ersehnte zweite Platte der jungen Amerikanerin steht in den Startlöchern. Eine schöne Platte ist es geworden, die genau da ansetzt, wo Dacus’ Debüt aufgehört hat. Wir quatschen mit ihr darüber, warum das eigentlich so ist.

Eine junge Frau, die mit monotoner Stimme und begleitet von Grunge-Gitarren mit dem Satz „I don’t want to be funny anymore“ ihre Absage an die konforme Gesellschaft formuliert? – Das müssen doch diese Pubertätshormone sein! Lucy Dacus’ Debüt im Jahr 2016 wurde jedenfalls allseits das Etikett Coming Of Age-Album aufgeklebt. Gut – ging auch nicht nur im bereits erwähnten Opener von No Burden darum sich selbst zu finden: Wer ist man? Wer möchte man sein? Wo will man mit sich und seinem angebrochenen Leben eigentlich hin? Durchaus Fragen, die sich so ziemlich jede/r stellt, wenns aus den Teens raus und langsam aber sicher Richtung Twentysomethings geht.

Dieser Annahme zufolge dürfte Dacus dann jetzt ausgewachsen sein und dies nun auch in ihren neuen Songs thematisieren, oder? „Ich glaube, Coming-Of-Age’ ist ein fester Begriff, der eine gewisse Phase im Leben meint. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass ich mich mein Leben lang mit Selbstreflektion und ähnlichen Fragen beschäftigen werde.“ sinniert Dacus. Sie sitzt am metaphorischen anderen Ende der Welt vor ihrem Rechner und hat sich für dieses Interview eigens ein Skype-Konto zugelegt, es ist früh morgens und sie trinkt Tee. Zu früh für philosophisches Geplänkel? Scheinbar nicht: „Diese ganzen Fragen stellt man sich doch immer dann, wenn man sich verändert. Ich denke, man verändert sich laufend in seinem Leben. Also stellt man sich auch immer wieder ähnliche Fragen zur eigenen Person und der Rolle die man in dieser Welt einnimmt.“

 

Das zweite Album der 23-jährigen ist demnach auch wieder ähnlich nachdenklich, wütend, zweifelnd und melancholisch, wie es noch das Debüt war. „Das mag aber auch daran liegen, dass manche Songs auch bei ‚No Burden’ schon geschrieben wurden, ihre Zeit aber einfach noch nicht reif war. Andere Songs habe ich erst nach den Erfahrungen der letzten Monate schreiben können.“ Mit den letzten Monaten meint Dacus die Begeisterung um ihr erstes Album, die ausgedehnte Tour danach, das Medieninteresse und auch der Druck, ein zweites Album aufs Papier zu bringen. „Meine größte Angst war, dass ich nicht mehr so unbeschwert meine kleinen Lieder schreiben kann. Aber das war gar kein Problem. Es ging sogar noch besser als vorher: Ich war mir gegenüber emotional sogar offener“ erzählt sie.

Historian ist somit also durchaus das Ergebnis einer Entwicklung, oder, wenn man so will einer Coming-Of-Age-Phase. Dacus ist als Songwriterin gewachsen, die Melodien ausgereifter und die Tracks runder. Auffällig ist außerdem die Detailverliebtheit: Hin und wieder setzten ein paar unprätentiöse Streicher ein, die Gitarren sind saftiger und verursachen hin und wieder gehaltvolle Gewitter und Hintergrund-Vocals kreieren die perfekte Atmosphäre. „Jacob [Blizard, Musiker, der sozusagen zum Kern der Band um Dacus gehört und auch mit auf Tour geht; Anm. d. Red.] und ich haben uns ganz gut ausleben können. Wir haben da sehr aufs Gefühl vertraut und die Songs so umgesetzt, wie wir es für richtig hielten.“

Absagen an die Gesellschaft gibt es von Dacus also auch auf ihrer zweiten Platte. Nur eben noch wohlklingender – und ungestümer. „Ja, dafür braucht man nicht pubertär sein, sondern einfach nur Bock drauf haben.“ sagt sie und lacht.

Silvia Silko

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