I am a country sleaze, nobody will mess with me
That man over there, he don’t really care
He looks at me with that country stare
Touch my body, touch my soul
Touch that deep and disused hole
Well I’m disgusting, I’m a shame to this so-called human race
(Goat Girl – Country Sleaze)
Beware of the Goat Girl, das Ziegenmädchen streift um die Blocks. Es speist sich aus vier toughen Mädels aus dem verdreckten und hipsterfreien Süden Londons. Vier Mädels, die einen Dreck auf den gegenwärtigen Achtziger-Hype geben und ihre eigene Zeit ausrufen. Die klingt mehr nach den 60ern, nach Jim Morrison, Black Sabbath, Punk und Crunch. Ist der Indie-Rock zurück? Eine übersteuerte E-Gitarre und eine Stimme, der alles egal ist und sich danach sehnt, verachtet zu werden. Scum schimpft sich eines ihrer starken Songs und er ist eine bitterböse Abrechnung mit dem “Abschaum” des Brexit.
I honestly do think that someone spiked their drinks
How can an entire country be so fucking thick?
Hold tight to your pale ales
Bite off your nationalist nails
We’re coming for you, please do fear
You scum aren’t welcome here
(Goat Girl – Scum)
Dazu liefert Goat Girl das passende Video: Die Band und Models in Stockphoto-Ästhetik fressen Babybrei und spucken ihn in Nahaufnahme wieder aus. Ein Anblick, den man nicht mal seinen engsten Freunden antut, bekommt der Brexit-Befürworter, aber auch der Fan, ins Youtube-Fenster gespuckt. Diese Band ist anti. Sie liebt die Provokation, greift sie aus den vergangenen Epochen auf; jeweils aus den guten Jahren, als noch rebelliert wurde, und haut sie uns im Jahr 2018 um die Ohren. Neben Scum hat es der Clip zu The Man verdammt in sich, denn er greift das ewige Gender-Thema intelligent und provokant auf: Es beginnt mit einer Horde tollwütiger Männer, die schreien, springen, die Fassung verlieren und zuweilen auch das Bewusstsein, denn Goat Girl sind in Town! Eine geniale Persiflage an die jungen Beatles. Die Girls müssen sich vor der Fan-Meute schützen wie einst Paul, John, George und Ringo. Der Spieß wurde umgedreht. Genial!
Das ganze Album scheint danach ausgelegt zu sein, den Spieß zu drehen, Sicher-Geglaubtes zu hinterfragen, Genre-Grenzen zu sprengen und damit alle Generationen anzusprechen. Unter den Youtube-Videos finden sich schöne Kommentare. Dort offenbarte beispielsweise ein User seine Bedenken, ob er als 48 jähriger Mann wirklich das Konzert besuchen sollte, denn er fürchtete vollkommen lost zwischen tausend Jugendlichen unterzugehen. Er bekam Antworten zurück, in denen mehrere andere User/Innen über 50 mitteilten, dass sie dort auch anzutreffen seien. Das hier erfolgreich die Sound-Schätze der Vergangenheit hervorgeholt wurden, sei damit belegt!
You walk inside the dirty room
The people dance, you have no place
They talk about how much they care
For all their clothes and fancy hair
(Goat Girl – I Don’t Care)
Clottie Cream, L.E.D, Naima Jelly und Rosy Bones sind die “Kampfnamen” von Goat Girl und sie kämpfen mit allen Mitteln. In ganzen 19 Tracks klappern sie nicht nur die Spielwiesen von Punk, Rock und Indie ab, sondern bedienen sich aus jeder Musikrichtung. Manche Skits klingen wie Schnipsel aus einem Rap-Album, wie Thundercat; um direkt danach einen Track rauszuknallen, der Oldie-Nostalgie und Punk-Ästhethik gekonnt vereint. Alles ist erlaubt, fuck the game, wir machen auf was wir Bock haben! Das funktioniert vor allem durch die dunkle Stimme von Clottie, deren Verachtung und Schmerz in jedem Song nachhallen. Der Süden Londons schlägt mit Goat Girl zurück und zeigt, dass nicht nur so geschimpfte Hipster den Ton angeben, sondern auch jene, die sich an die schönen, dreckigen Zeiten davor erinnern und ausleben!
Goat Girl – Goat Girl
VÖ: 6. April 2018, Rough Trade Records
www.goatgirl.co.uk
www.facebook.com/goatgirlofficial