Achtung: Das ist ein Text, der die Vergangenheit glorifiziert. Ich weiß schon: Früher war natürlich nicht alles besser. Es gab damals auch nicht die besseren Bands, die bessere Gesellschaft und keiner hatte je Grippe oder so. Klar. Aber es gab früher eine INTRO, für die es sich wenigstens lohnte aus meinem Heimatdorf in die nächste Kleinstadt zu fahren, weil es da eine Disse gab, in der noch heute dieselbe Playlist gespielt wird wie damals und man ganz sicher die INTRO in die Finger bekam (und die coolen schon älteren, gepiercten Kids bewundern konnte).
Für mich war die INTRO nicht nur Musikmagazin sondern der blattgewordene Beweis, dass ich mit meinem Musiknerdtum nicht alleine bin, dass es eine Zeit nach der Jugend gibt, in der Musik immer noch einen verdammt großen Platz einnehmen kann und das es irgendwo auf der Welt diesen Traumjob „Musikjournalistin“ geben muss. Zwischen dieser Zeit und heute sind locker 16 Jahre vergangen und der Journalismus hat sich gewandelt, hauptsächlich dank des Internets (der kleine Pisser) und aufgrund wirtschaftlicher Einbrüche (der große Pisser). Heute sind Redaktionen die billigere Variante einer Werbeagentur und müssen Online-Konzepte am laufenden Band produzieren (natürlich inklusive Einberechnung sämtlicher Algorithmen von den Big Daddys Facebook und Google), sich gleichzeitig von Verlegenden anhören, dass am Kiosk ja echt nichts mehr verkauft wird und versuchen Anzeigenkunden zu generieren, die aber am liebsten gut getarnte Inhalte haben möchten – also wehe da steht irgendwo „Werbung“ in der Ecke (die drei Korrekturschleifen werden von Seiten der Auftraggeber aber natürlich dennoch eingefordert).
Ich will hier gerade keinem den schwarzen Peter zuschustern – geht halt allen scheiße und alle müssen natürlich sehen, wo sie bleiben, sehen das Söhnchen Mattes auch die neuen Sneaker bekommt und der Familienurlaub dieses Jahr nicht auf Balkonien stattfindet. Sehe ich alles und es geht mir am Ende des Tages ja auch nicht anders. Dennoch bin ich einfach verdammt noch mal abgefuckt seit der INTRO-Chefredakteur Freitag verkünden musste, dass es mit dem Magazin zu Ende geht. Wer Daniel Koch kennt weiß, dass seine Worte über das Ende der INTRO ihm sichtlich schwer gefallen sein müssen und in ihnen leider Gottes auch ganz schön viel Hoffnungslosigkeit steckt. Für ihn und seine Mitarbeitenden besteht kein Grund dazu: Sind alles fähige und kreative Leute, die garantiert mit neuen Projekten begeistern werden. Aber das Ende der INTRO markiert nun mal das Ende einer Ära und liefert einmal mehr den Beweis dafür, dass wir in einer Welt aus erbarmungslosen Zahlen leben.
Ich weiß: Das sind jetzt keine News. Auch wenn der Echo gottseitdank erst mal keinen mehr peinigt, war er bis vor Kurzem noch ein Musikpreis, in dem man lieber ein Rap-Duo nach verkauften Zahlen auszeichnete, als fünf Sekunden darüber nachzudenken ob man neben dem Stolz auf das viele eingenommene Geld auch die Inhalte verantworten kann. Da kann mir ein Künstler oder ein Label-Chef auch noch zehnmal sagen, dass die Knalltüten Farid und Kollegah nun mal den allgemeinen Geschmack wiederspiegeln. Dann ist der allgemeine Geschmack nun mal antisemitisch und scheiße und auf ganzer Linie zumindest für fraglich zu erklären, wenn nicht am besten komplett zu boykottieren. Man könnte ja auch als Fat-Cat-Label mal Rückgrat zeigen – nur mal so als verrückte Idee für die Zukunft.
Klar: Es gab auch in der INTRO hin und wieder bezahlten Content, aber dennoch war das Blatt eine Lichtung, in der alle rumlaufen und sich sonnen durften, wie es ihnen passte. Die Relevanz einer Band wurde jedenfalls nicht lediglich nach verkauften Platten bemessen und häufig waren es die Underdogs, die hier auch mal zur Sprache kamen. Die Relevanz eines INTRO-Autors wurde nicht danach bemessen, ob er/sie schon für jeden Hans und Franz geschrieben hatte (danke noch mal dafür!), sondern nach der Leidenschaft und der Hingabe, die er oder sie mitbrachte. Klinge ich pathetisch wenn ich sage, dass es das vermutlich beste Musikmagazin im deutschsprachigen Raum war? Vermutlich schon. Klinge ich in diesem Text verzweifelt? Ziemlich sicher, ja. Es wird auch die Verzweiflung sein, die hier die eine oder andere Kante zu verantworten hat.
Nicht falsch verstehen: Ich will das Internet nicht verteufeln oder den Geschmack der Masse per se scheiße finden. Ich will nur sagen: Wir fahren alle zur Hölle, wenn wir bei allem, was uns Zahlen für richtig erklären wollen, lediglich mit den Achseln zucken und es abnicken. Wir zerstören unsere Kunst und unsere Kultur und tun denjenigen Unrecht, die trotz Risiko, schlechter Bezahlung, viel zu viel Arbeit und null Absicherung Kunst produzieren oder guten Journalismus machen. Wir sollten bereit sein für diesen Journalismus zu bezahlen und Musik nicht für das nette Hobby von ein paar zufälligerweise talentierten Fuzzies (w/m) halten. Unsere kulturelle Krise gibt es nicht erst seit Schwachmaten wie Trump, während sie ein Land regieren unter Johlen ihrer Testosteronkumpels Frauen zwischen die Beine fassen dürfen und jedem „Fake News“ entgegenplärren, der nicht ihrer Meinung ist.
Wie kam ich jetzt auf Trump? Achso: Stimmt. Ich bin wütend. Immer noch. Wütend und sentimental, dass ein Blatt, das nicht nur meine Jugend, mein Studium und mein Erwachsenwerden begleitet, sondern das auch meine gesamte Biografie maßgeblich geprägt hat im Juli ihre letzte Ausgabe drucken wird. Ich bin wahnsinnig stolz darauf, dabei gewesen zu sein, als Leserin und Schreiberin. Ich gehe jetzt ne Runde heulen, später mehr als ein Bier auf die INTRO trinken und wer weiß, vielleicht höre ich mir ja auch noch Killing In The Name Of in Dauerschleife an. Ich weiß, ich weiß: Früher war nicht alles besser und Kultur als Resterampe gab es auch schon immer. Aber eine Sache war zumindest gut: Es gab die INTRO.