Foto-© Bao Ngo
Does it smell like a school gymnasium here?
It’s funny how they’re all the same
It’s funny how you always remember
And we’ve both done it all a hundred times before
It’s funny how I still forgot
(Mitski – Two Slow Dancers)
Mitski Miyawaki hat es weit gebracht: Schon während ihres Musikstudiums am SUNY Purchase College schrieb und veröffentlichte die mittlerweile 27-jährige New Yorkerin eine Vielzahl von Songs in DIY-Manier, sodass ihre ersten Alben Lush (2012) und Retired from Sad, New Career in Business (2013) ihr zu einer treuen und stetig wachsenden Hörerschaft verhalfen. Fand in den frühen Stücken vor allem das Klavier eine zentrale Rolle in Mitskis Songwriting, so hat sich die Musikerin durch die späteren Alben Bury Me At Makeout Creek (2014) und Puberty 2 (2016) einen festen Platz in der heutigen Szene des Indierocks erspielt. Mit Be The Cowboy veröffentlicht Mitski am 17. August ihr fünftes Studioalbum auf Dead Oceans.
Die letzten fünf Jahre war Mitskis Leben vor allem durch einen ausgiebigen Tourplan mit unter anderem Support-Shows für Lorde bestimmt. Eine Zeit, die ihren Songs definitiv zu größerer Popularität und letztendlich Erfolg verhalf, doch gleichzeitig die Musikerin mit einer oftmals ungewohnt fremden Realität und dem Gefühl der Isolation konfrontierte. Be The Cowboy knüpft genau hier an, um diesen Zustand der Einsamkeit mithilfe einer kreierten Persona zu erkunden und so auch einen Weg zur rettende Selbstfindung ermöglicht. Mitski thematisiert eine Schar von Charakterzügen, die sie immer wieder auch in ihrem eigenen Verhalten erkennt, und bündelt diese zur Persona einer Frau, die ihre Emotionen gegenüber der Außenwelt in Schach hält. In Be The Cowboy spielt eine “woman in control” die Hauptrolle.
Das Stück Nobody bildet meisterhaft lyrisch als auch musikalisch diesen Gedankengang ab. Während Zeilen wie “My God I’m so lonely” und “I just want to feel alright / And I know no one will save me / I just need someone to kiss” von Einsamkeit, Selbstzweifel und Sehnsucht ganz klar die traurige Gefühlswelt der Persona zeigen, ist der Song, was Instrumentierung und Klang betrifft, durchaus ein tanzbarer Feel-Good-Song mit 70s-Diskoflair – nach außen hin wirkt es, als sei alles unter Kontrolle.
Und auch im Opener der Platte, dem düster aufbrausenden Geyser, geht es um eine Frau, die eine Ohnmacht gegenüber ihrem Umfeld erfährt und auf die zugehörigen Reize und Verpflichtungen dieser Außenwelt nicht mehr reagieren kann – und auch nicht mehr will. Mitski erschafft hier einen Charakter, der sich machtlos und kraftlos fühlt und fortan allen emotionslos die kalte Schulter zeigt, um so wieder ein Stück weit Kontrolle zu gewinnen. In einem Interview erklärt Mitski wie aktuell dieses Thema auch in Bezug auf ihre eigene Person als Frau im Musikbusiness ist: “I’m an artist, I react emotionally, but that’s not effective when you’re trying to get something done. And so perhaps I have to be even more controlled than my male counterparts because if I show even the smallest amount of emotion, it’s immediately interpreted as ‘she’s hysterical’”
Musikalisch bewegt sich das Album in eine insgesamt glänzendere mit pulsierenden Beats bestückte Produktion. Die vierzehn Songs, von denen alle knapp die Drei-Minuten-Marke knacken, hat Mitski ihrem langjährigen Produzenten Patrick Hyland anvertraut, der komplett auf die Verwendung von Gesangseffekten auf ihrer Stimme verzichtete. Das Resultat ist eine mehr denn je – in Bezug auf Mix und Produktion – im Mittelpunkt stehende Mitski. Trotz lebhafter instrumentaler Umgebung in den Stücken bleibt der Spotlight entschieden auf den Gesang und die oftmals dunklen Lyrics gerichtet.
Mit der Ballade Two Slow Dancers hätte kein besserer Track für den Schluss des Albums gewählt werden können. “We’re just two slow dancers, last ones out” singt Mitski und liefert den besten Soundtrack für eine der wohl bekanntesten Coming-of-Age-Momente – den langsamen Tanz auf einem Schulball. Wieder ist der Fokus auf Mitskis jetzt geradezu zerbrechliche Stimme gerichtet, die mit Blick auf die ungewisse Zukunft mit ihren Emotionen kämpft und sich auch hier fragt: Wie bekomme ich das alles unter Kontrolle?
Mitsky – Be The Cowboy
VÖ: 17. August 2018, Dead Oceans
www.mitski.com
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