VOR UNS DAS MEER – Filmkritik

Was macht dieses Salzwasser nur mit den Köpfen dieser Männer?

(Clare Crowhurst – Vor uns das Meer)

Heutzutage ist es einfach überall hinzukommen, alles zu sehen und mitzuerleben. Was nicht so einfach ist: Wirklich etwas neues zu machen und ein einzigartiges Abendteuer zu erleben, auch wenn es vielleicht Marken und Werbespots einem immer wieder einreden wollen, dass allein Konsum schon einem Abendteuer gleich kommt. Von einem besonderen Abendteurer erzählt das neue Drama des britischen Regisseurs James Marsh (Die Entdeckung der Unendlichkeit).

Donald Crowhurst (Colin Firth) ist angefixt von der Idee mit einem selbstentworfenem Boot die Welt ohne Zwischenstop zu umreisen und das von der Sunday Times ausgelobte Rennen als erster Nonstop-Einhandsegler zu gewinnen. Er will sich – als Hobby-Segler – und seinen Kindern damit beweisen, dass man auch als normaler Mann und Familienvater sich einem Abendteuer stellen kann…und wenn er das kann, kann es eigentlich jeder. Und schon gehen die Probleme los. Zur Finanzierung holt er sich einen Partner ins Boot, den Rest muss er aus eigener Tasche bezahlen, doch damit entsteht auch für ihn ein auswegloser Druck: Immer mehr wird es für ihn Pflicht zu fahren und auch gut abzuschneiden. Auch als das Boot nicht wirklich zum letztmöglichen Abreisezeitpunkt fertig ist und auch während der Reise sehr viel mehr improvisiert werden muss, als eigentlich gewollt. Schnell wird klar, dass es kein Zurück mehr gibt, aber es auch nicht mehr weiter geht. Doch Crowhurst kann nicht aufgeben, seine ganze Existenz und auch die seiner Kinder und Familie steht auf dem Spiel. Drum greift er zu einer List…und reitet sich immer tiefer in den Schlamassel, während er immer mehr der Einsamkeit und der Verwahrlosung auf der hohen See ausgesetzt ist. Letztlich bleibt für ihn nur noch die Frage: Gibt es für ihn überhaupt ein Zurück?

Vor uns das Meer versucht die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte des Lebens und Verschwindens von Donald Crowhurst in eine Mischung aus Abendteuer-, Helden- und Drama-Verfilmung zu fassen. Schnell zieht einem der Enthusiasmus und das Charisma des Charakters in den Bann, dem man alles gönnt und dem man auch diese absurde Reise zutraut. Doch je länger der Film läuft, umso größer werden die Risse der Heldengeschichte und immer schwieriger wird es sich ein gutes Ende der Geschichte vorzustellen. Getragen werden alle Fassetten dieser Dramatik von Colin Firth, dem man von der anfänglichen Begeisterung bis zur verzweifelten Ausweglosigkeit auf dem breiten Meer alles abnimmt, während Rachel Weisz immer wieder den feinfühligen Gegenpart mimt. Da sich aber all diese Seiten der Geschichte erst langsam entfalten und nach und nach die ganze Dramatik entwickelt, bleibt Vor uns das Meer häufig stockend und spielt sich vielmehr im inneren der Figuren ab als an der Oberfläche, weshalb der Film teils genauso wie Crowhurst dümpelt – wenn auch in sehr schön anzuschauenden Bildern. Dennoch ein handwerklich guter Film, über einen abseitigen Charakter der Abendteuer-Geschichte Englands.

The Mercy (UK 2018)
Regie: James Marsh
Darsteller: Colin Firth, Rachel Weisz, David Thewlis, Mark Gatiss, Ken Scott
Heimkino-VÖ: 2. August 2018, STUDIOCANAL

Dominik

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