Foto-© Tim Peukert
Schon wieder kein Crowdpleaser-Album, keine Interviews zum Plattenrelease – Ben Howard dürfte der Albtraum eines jeden Promoters sein. Seine Fanbase liebt ihn dennoch (un-)eingeschränkt. Und manchmal, in ungeahnten Momenten, spricht er dann doch. Zum Beispiel mit uns vor seinem Auftritt im Berliner Tempodrom. Eine Unterhaltung über Rebellion, schlechte Mitarbeit und nicht vorhandene Lustigkeit in Songs.
„Ich rebelliere dagegen, einen Plan zu haben.“ Ein richtiges Entfant Terrible des Folkpop, der Howard. In seiner dezidierten Planlosigkeit legte der Brite einfach mal eine vierjährige Pause ein, bevor er sein mittlerweile drittes Studioalbum Noonday Dream dieses Jahr endlich veröffentlichte. Spontan schickte er dieser Tage dann drei weitere Songs nach, die es nicht aufs Album geschafft haben – alle in genau dem verschrobenen, entrückten und absorbierenden Stil, der schon mit dem zweiten Album I Forgot Where We Were (2014) anklang und sämtliche Fanerwartungen enttäuschte.
Mit radiotauglichen Popschrammlern wie Only Love oder Old Pine und dem von Label und Presse konstruierten Image des gitarrezupfenden, zauselhaarigen Surferboys reihte sich Howard 2011 herrlich einfach neben Passenger, Ed Sheeran oder Mumford And Sons ein. Kreischende, meist weibliche Fans und wahnsinnig viel Aufmerksamkeit waren die Folge. Schwierig für jemanden wie Ben Howard, der sich zwar nicht als extrem schüchtern bezeichnet, aber die Welt und ihre Vorgänge durchaus kritisch betrachtet – und in dieser vor allem nicht als Posterboy oder Entertainer gelten möchte.
„Ich finde es wichtig, den eigenen Instinkten zu folgen,“ erklärt Howard. „Und diese dann aber auch zu hinterfragen. Man muss alles immer hinterfragen.“ Mit der Mischung aus Skepsis und Eigensinn kocht der Musiker vornehmlich sein eigenes Süppchen – und entzieht sich so jedem Diktat des Business. Er möchte halt Musik machen, Musik die ihm selbst zusagt, mit der er zufrieden ist. Alles drum herum ist Brimborium dem Howard vor allem gleichgültig entgegensteht: „Ich habe gelernt, mich nicht damit zu beschäftigen, was andere machen oder was man machen sollte. Es ist mir egal,“ sagt er knapp.
Wer Howard auf seiner Tour besucht hat, bekommt direkt die Konzertversion dieser Haltung vorgesetzt: Howard ist bei seinen Auftritten wenig an offensichtlicher Publikumsresonanz interessiert. Mal stehend, häufig sitzend verliert er sich zusammen mit seinen Mitmusikern in teils komplizierten Klanggebäuden und bietet so durchaus eine grandiose Fortsetzung seiner letzten beiden Alben. Publikumsliebling wird man so allerdings nicht – egal mit wieviel stressig umherzuckelnde Scheinwerferspielereien die Bühnenbildner da um die Ecke kommen (beinahe hat man das Gefühl, hier soll die Lichtshow über mangelnde Präsenz des Hauptacts hinweghelfen). Diese Art der Konzerte kommt bei Fans nicht unbedingt gut an – obwohl sie etwas Besonderes sind und eben, wie Howard selbst, etwas mehr Eigenleistung des Rezipienten erwarten.
Tatsächlich ist auch mit Ben Howard sprechen, wie man es erwartet: Der Brite ist keineswegs unsympathisch, aber genau wie seine Songs und Shows eben nicht Everybodys Darling. Selbstironie kann Howard aber dennoch ganz gut, vor allem wenn man ihn auf seine Arbeitsweise anspricht. Ob es wahr sei, dass er einen sehr eigenen Kopf habe und es deshalb schwierig sei, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Das ist ein großartiger Mythos, nicht wahr?“ er lächelt „Ja, ich glaube schon, dass es schwierig ist. Ehrlich gesagt: Ich würde nicht mit mir arbeiten wollen,“ sagt er und lacht.
Seine musikalischen Entwicklungen der letzten Alben hin oder her: Das Gespür für feine Melodien ist seit Howards frühen Anfängen gegeben und auch in Stücken wie Towing The Line unüberhörbar. Nur brauchen sie eben ein bisschen – sei es Zeit oder Aufmerksamkeit. So ist Howards Musik vielleicht auch manchmal eine kleine Hürde im Allerlei musikalischer Ergüsse: Sie biedert sich nicht an, ringt um nichts und steht für sich. Sperrig, organisch und wunderschön. Genau wie seine Harmonien, ist auch die Melancholie schon seit Album eins am Start – nur nun eben noch eindeutiger. Another Friday Night – eines der kürzlich releasten Songs – erzählt die Geschichte einer Nacht. Man ist unterwegs zu einer Party von jemandem, der jemanden kennt, den man auch kennt. Normale Freitagnacht also. Nur schafft Howard es, wenige Songzeilen später das Gedankenrad Richtung Vergänglichkeit und Enttäuschung zu lenken. Tod und Party, alles direkt nebeneinander. Howard lacht laut „Ja, ich glaube, dass ist bei mir alles sehr nah beieinander. Vielleicht liegt es auch an der grundlegenden Konzentrationslosigkeit, die ich beim Songschreiben habe.“ Er erklärt weiter, dass er versucht habe, seine Stücke mit mehr Humor anzugehen. „Ich habe gehofft, das meine letzte Platte eine Lustige wird. Sie ist es nicht.“