Stand up put straight down
They think they wear crowns
100 times over,
Without a thought, they’re proud
Ha ha ha ha ha ha ha
Oh so very proud
(Cassia – 100 Times Over)
Abends bleibt es länger hell, die Temperaturen berühren die kritische 20 Grad Marke und die schönsten Plätze der Stadt sind wieder voll mit fröhlichen Gesichtern. Der Sommer kommt und mit ihm passenderweise das Debutalbum von Cassia mit dem Titel Replica. Wie der Beginn der schönsten Jahreszeit mit ihrer Musik zusammenhängt? Die drei Briten Rob Ellis, Lou Cotterill und Jacob Leff bestätigen dies im Vorhinein mündlich relativ direkt: „Wir möchten Musik schreiben, zu der sich Menschen locker machen und zueinander finden können”. Was auch als die Vision einer Dating-App durchgehen könnte, klingt musikalisch ziemlich genau so, wie sie es formulieren. Locker, lässig und frisch, fast gar nicht verkopft, aber auch absolut nicht langweilig, wie es im Indie der letzten Jahre leider immer wieder zu bemängeln war. Cassia verstehen ihre Musik als Antithese zu Angst, Unruhe und Spaltung und so weich gespült das klingen mag…warum denn eigentlich nicht?
Melodiöse Gitarren, kleinteilig und impulsiv, dazu viele Mitsing-Chorusse und vor allem afrikanisch-jazzige Beats auf Drumset und Trommeln. Da vermischt sich die britische Luftigkeit von Indie-Helden wie The Kooks oder Bombay Bicycle Club mit der musikalischen Finesse und Weltzugewandtheit von Paul Simon und afrikanischer Weltmusik, wie von Fela Kuti. Diese Einflüsse sind schon ab dem Opener Small Spaces im Kopf omnipräsent und siehe da, die Band sieht gerade auch Simon und Kuti als Vorbilder für Diversität in der Musik. So beschäftigten sie sich allesamt mit Weltmusik, vor allem auch aus dem afrikanischen Raum und das ist nicht zu überhören. Was soll man sagen? Für positive, euphorisierende und lockere Sommerklänge ist das hervorragend. Ob mit schwingendem Tanzbein oder perlendem Bier in der Hand oder am besten Beidem, da kommt Freude auf. Sie schaffen sich damit aktuell eine Nische und holen Paul Simons legendäres Album Graceland rockiger und jünger in die heutige Zeit (wenn man denn findet, dass dieses nicht mehr zeitgemäß ist).
Genau hier kann man auch eine Kritik anbringen: die Nähe zu Simons Idee ist enorm und wer hier eine konservative Ader hat, der könnte das als gutgemeinte aber nicht vergleichbare Kopie empfinden. Meinen Sie das damit sogar, wenn sie ihr Album Replica betiteln? Allein der Sound der Gitarre und die Melodiegestaltung hat teilweise wirklich verwechslungspotential. Andererseits ist der Ansatz ideell mehr als zeitgemäß und für den Indie der letzten Jahre eine absolute Neuerung. Lyrisch ist das Ganze zwar nicht besonders spannend, aber das scheint auch nicht so wichtig. Afrikanische Indie-Disko mit einem diversen und sehr positiven Ansatz kann eigentlich nur wohlwollend wahrgenommen werden und gegen positive Emotionen kann man sich dann so oder so kaum noch wehren.
Man darf auch nicht vergessen, wie das 11-Stücke lange Album live funktionieren dürfte, grade wenn man bedenkt, dass sich Cassia bereits live einen ziemlich guten Ruf erspielt hat. So waren sie grade auf ein paar Terminen in Deutschland mit Crystal Fighters und kommen auch zum Festivalsommer wieder rum. Afrikanisch-europäisches Feel Good, temporeich, sehr tanzbar und mitsingtauglich: Das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen!
Cassia – Replica
VÖ: 5. April 2019, Distiller
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