Daniel Norgren mag für Einige immer noch ein Geheimtipp zu sein – zwar zu unrecht, aber irgendwie auch verständlich: Er gefällt sich in seiner Verschrobenheit und hält sich nicht an die Regeln. Seine Musik ist dadurch pur und echt. Schrammeliger Americana-Sound, einfache Lyrics, gute Songs. Jetzt steht sein nunmehr siebtes Album in den Startlöchern – Zeit für ein Gespräch. Erste Erkenntnis: So grumpy wie der Schwede immer wirkt, ist er gar nicht.
The Summer Chafer – das Stück ist der beste Einstieg in Daniel Norgrens Gesamtwerk. Findet er selbst zumindest. “Wer diesen Song nicht mag, der versteht nicht was ich tue. Und der mag auch den Rest nicht” erklärt Norgren. Es ist der Opener zu Norgrens 2015er Album Alabursy – und ehrlich gesagt eher eine Art Interlude oder Intro als ein tatsächlicher Song. Man hört wie ein Ton sich über gute 3 Minuten zieht und dramatischer wird. Es klingt eigentlich so gar nicht wie die Stücke, für die Norgren bekannt ist: Trocken aufgenommene Americana-Nummern, die an längst vergessene Blues- und Rockkünstler erinnern, die nach Whiskey und schwerem Holz riechen. Es ist ein Track, den man bei unkonzentriertem Hören vermutlich nicht mal als autonomen Song ernst nehmen würde.
Die Tatsache, dass Norgren dieses Stück als repräsentativ für sein Gesamtwerk ausgesucht hat, sagt allerdings so ziemlich alles darüber aus, was den Künstler ausmacht: Daniel Norgren ist sein eigener Maßstab. Er findet The Summer Chafer halt wichtig, weil es für ihn eine Situation gab, in der er genau diesen Sound als wichtig empfand. Es erinnert ihn an einen warmen Tag in der Natur, als er Zeit hatte, genau zuzuhören. Dieses Gefühl übersetzt Norgren in Geräusch und schenkt es dann der Welt. Er nennt sich selbst den Soundcollector und lacht dabei. “Ich bin immer auf der Suche nach Geräuschen. Am liebsten bin ich in der Natur unterwegs und höre einfach zu.”
Keine Angst: Norgrens siebtes Album Wooh Dang ist kein Setzkasten der Naturgeräusche geworden. Aber auch auf dieser Platte gibt es sie: Die undefinierbaren Sounderzeugnisse. Sie sind die Lichtungen zwischen den Brechern. Die ersten Auskopplungen wie Rolling Rolling Rolling oder Let Love Run The Game geben da schon die richtige Richtung vor: Norgren und seine Musiker haben Bock auf Instrumente, auf Folk, Rock und Americana und darauf, sich in ihren einfachen und effektiven Stücken zu ergehen. “Wir haben einfach eine Party gemacht!” erklärt Norgren. Der Soundcollector macht Party – man darf sich durchaus fragen, wie das am Ende ausgesehen haben dürfte. Er führt aus: “Ich hatte keine Lust auf Regeln. Die haben mich zurückgehalten. Also habe ich sie alle über Board geworfen, wir haben uns alle getroffen und drauf los gespielt. Und das ist das, was Wooh Dang geworden ist. Bei manchen Songs haben wir kurz geprobt und dann wirklich nur einen einzigen Take gebraucht.”
Eine Feier also, aber auch eine Negation des festen Systems. Für Norgren war das erst gar nicht so einfach. Der Grund, warum seine Fans ganz vier Jahre auf neues Futter warten mussten, hing nämlich nicht nur mit dem vielen Touren und der Tatsache, dass Norgren zwischendurch Papa geworden ist zusammen (herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle). Er hat auch einfach ein ganzes, fast fertiges Album kurzerhand verworfen und mit Wooh Dang und besagter Party komplett von vorne angefangen. “Es hat sich einfach nicht richtig angefühlt. Ich wollte alles kontrollieren, wollte genau schauen, was wie gemacht wird. Das war nicht das Richtige. Das Leben funktioniert ja auch nicht so, dass man alles genau so bekommt, wie man es geplant hat.” Entsprechend hat das Album auch seinen Namen bekommen: Er habe irgendwann dieses Geräusch von sich gegeben und sein kleiner Sohn fand das lustig. Norgren lächelt und zuckt mit den Achseln: “So einfach kann das gehen!”
Norgren glaubt an die Magie eines Moments, er glaubt an die Natur, an die Schönheit, den Zufall und an die Liebe – im Herzen ist er Hippie. Der Musiker ist jemand, der am liebsten jenseits von Social Media und Verkaufszahlen im schwedischen Hinterland durch die Felder streunert, der sich mit seiner Familie beschäftigt und sich an die Musik setzt, wann immer ihn die Inspiration dazu verleitet. Ob es ihn da nicht nervt, auf Tour gehen oder Interviews geben zu müssen? “Überhaupt nicht! Ich mag es, über meine Kunst zu reden. Und ich liebe es, auf der Bühne zu stehen, zu merken wie die Songs ankommen. Außerdem habe ich meine Familie ja immer bei mir. Mein kleiner Sohn wird auch auf der anstehenden Tour mit uns mitkommen – wäre auch schwierig sonst. Meine Frau ist ja schon immer mein Tourmanager. Aber mal ehrlich: Das ist doch der Traum!” Klingt nach genau dem Traum, den man bei Daniel Norgren erwarten würde: Die Liebsten nah bei sich, Leute, die wegen der Musik vor der Bühne stehen, neue Eindrücke und ganz viel neue Geräusche, die vielleicht irgendwo darauf warten, eingesammelt zu werden – wenn man sich die Zeit nimmt, kurz zuzuhören.