Foto-© Hollie Fernando
Versuche, die Liebe mit Musik zu ergründen gibt es viele: Ob als hoffnungsvollen Schmalz á la Bon Jovi in Keep The Faith, abgeklärte Betrachtung des Trümmerhaufens á la Mine und Fatoni in Alle Liebe nachträglich oder Momentaufnahmen wie Heartbreaker von Ryan Adams. Mit dem Erscheinen ihres neuen Albums Forevher am 16.08. reiht sich die britische Popkünstlerin Shura in diese Sparte ein – und macht dabei alles komplett anders.
Forevher ist ein Abbild unserer Zeit wie es diverser und aktueller nicht sein könnte: Die queere Künstlerin ergründet das verrückte Gefühl des Verliebtseins vor den Dating-Parametern unserer Zeit: Tinder, Fernbeziehung London/New York und nächtliche Skypecalls inklusive. Zum Interview sitzt Shura wunderschön drapiert und passend zum Albumcover komplett in blau gekleidet vor einem riesigen Berg Trauben. Sie klagt über Müdigkeit, ist aber dennoch bester Laune. Wir steigen dann auch direkt ein:
Was können deine Fans nach deinem ersten Studioalbum Nothing’s Real nun von deiner neuen Platte erwarten?
Diese beiden Alben im Vergleich sind so unterschiedlich. Auf der ersten Platte war ich eher unglücklich. Ich befasse mich mit Herzschmerz, Trauer und dem Anderssein. Forevher hingegen schrieb ich in dieser komischen Phase in der man sich in eine Person verknallt und noch nicht weiß wohin das Ganze führen wird. Ziemlich aufregend aber auch ziemlich aufreibend. Auch musikalisch geht es in eine andere Richtung: Nothing’s Real war sehr 80er-lastig. Auf dem neuen Album stechen vor allem ein sehr organischer 70er-Jahre Sound mit sanften Instrumenten wie Klavier und Geige heraus. Andererseits geht’s mit Autotune in Richtung Zukunft und der Sound wirkt sehr futuristisch.
Warum gerade diese beiden Gegensätze?
Auf der einen Seite gab es dieses organische, altmodische Gefühl des Verliebtseins, das mich stark an die Singer/Songwriter-Zeit der 70er erinnert und was ich unbedingt auf der Platte haben wollte. Auf der anderen Seite habe ich meine Freundin über eine Dating-App getroffen. Monatelang lernten wir uns über Whatsapp-Nachrichten kennen, weil sie in New York und ich in London wohnte. Das Gefühl der Fernbeziehung, das ständige Vermissen, die Skype-Anrufe…das alles fühlte sich schon sehr neuzeitlich an. Das wird mit Autotune und Beats umgesetzt.
Beim Hören fällt auch direkt auf, dass du deine ganzen Gefühle eher verwundert betrachtest…
Genauso ist es auch gewesen. Früher habe ich nie Musik gemacht, wenn ich glücklich war, dieses Mal wollte ich das Gefühl in meinen Texten mit meiner Hörerschaft teilen. Es ist einfach ein Abbild von mir in dieser Zeit. Von der Magie die zwischen zwei Menschen stattfindet.
Magie ist ein gutes Stichwort. Gerade bei Religion sprühen die Funken und man kann die sexuelle Anspannung geradewegs heraushören. Wie geht man an die Vertonung solcher Gefühle ran?
(lacht) Das ist so lustig dass du das sagst. Religion entstand in einer Zeit, in der es noch zu keinen Körperlichkeit zwischen mir und meiner Freundin gekommen war – sie war ja abertausende Kilometer weit weg. Die sexuelle Spannung kommt wohl von meinen Gedanken. Von den Fragen, wie es wäre sie anzufassen, zu küssen, zu streicheln. So gesehen hat mir das Gefühl der Verliebtheit auch das Selbstvertrauen gegeben, sich mit diesem Begehren auseinanderzusetzen. Der Song ist kokett und süß und ja – auch sexy.
Deine Hörerschaft feiert dich vor allem dafür, dass du diese queere Sexualität auch in deinen Videos zur Schau stellst. Ist es für dich wichtig, diese mehr in die Mitte der Gesellschaft zu holen?
Ehrlich gesagt war das für mich nie eine besondere Frage. Die Musik ist aus meinem Inneren und ich denke Sexualität halt so. Anders wäre meine Musik nicht aufrichtig. Ich merke aber, dass KünstlerInnen wie The Japanese House, King Princess oder Hayley Kiyoko die queere Sexualität mehr in den Fokus rücken. Wir sind keine Inseln mehr, wir finden statt. Das ist richtig und wichtig. In meiner Teenagerzeit hätte mir sowas auf jeden Fall sehr geholfen.
Zum Abschluss musst du unbedingt noch einmal dein blaues Album-Cover erklären. Ich empfinde die Farbe immer besonders kalt und ziemlich weit weg von Wärme und Liebe. Warum genau Blau?
Genauso habe ich die Farbe am Anfang auch empfunden, bis ich so viele warme, blaue Dinge entdeckte und sich meine Wahrnehmung so veränderte, dass ich nicht verstehen konnte, wie ich Blau jemals kalt wahrnehmen konnte. Genau dieser Gedanke ist aber eine Metapher an die queere Liebe: Als Teenager musste ich das Hetero-Pärchen in Liebesfilmen immer auf mich umdenken. Nun appeliere ich an meine Hörerschaft, diese Farbe einmal umzudenken und ihre Wahrnehmung herauszufordern. Können sie es verstehen und nachvollziehen? Denn völlig egal ob hetero oder queer: Das Konzept der Liebe ändert sich ja nicht.
Shura Tour:
05.11. Luxor, Köln
06.11. Ampere, München
07.11. Lido, Berlin
08.11. Mojo, Hamburg