Foto-© Harmony Korine
We are the people without sorrow
Who have moved beyond national pride and indifference
To a parody of instinct
We are the people who are desperate
Beyond emotion because it defies thought
We are the people who conceive our destruction and carry it out lawfully
We are the insects of someone else’s thought
A casualty of daytime, nighttime, space, and God
Without race, nationality, or religion
We are the people, and the people, the people
(Iggy Pop – We Are The People)
Aus guter alter Tradition zeigt sich Iggy Pop auf seinem neuen Album Free auf ein Neues von einer ganz anderen Seite. Das atmosphärische Album zeigt den König des Punk-Rocks nachdenklich, poetisch und betrachtend. Iggy Pop offenbart uns seine philosophische Sicht auf das Dasein und sein lebenslanges Streben nach Freiheit. Was mit der Zusammenarbeit mit Oneohtrix Point Never begann und mit einem Kunstfilm von Boris Mitić seinen Lauf nahm, scheint mit Free seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Zehn Tracks zwischen Free-Jazz, Avantgarde, düsterem Bowie-Pop und Poetry Slam, schaffen eine einzigartige und mitreißende Atmosphäre, die man bis dato von Iggy Pop so noch nicht erlebt hat.
Musikalische Unterstützung hat sich Iggy von dem Jazz Trompeter Leron Thomas, der eine sehr wichtige Rolle in dem Album spielt, und Sarah Lipstate mit ihren raffinierten Gitarreneinlagen, geholt. Zwischen vielen liebevollen Soli hört man hier und da ein zartes Schlagzeug und clevere Basslines heraus. Beim Aufbau des Albums ist ein Schema erkennbar. Die ersten Tracks haben mit ihren deutlichen Basspuren noch am ehesten Radio-Potenzial, während darauffolgende Lieder mit ihren Trompeten-Soli und seiner zitternden Stimme, die überzeugen wird, die auf der Suche nach etwas anderem sind. Gegen Ende des Albums gehen die Tracks in schöne Spoken Poetry über und sind nur noch im Hintergrund mit Musik unterlegt. Dabei muss einem die vom alter geprägte aber immer noch ausdrucksstarke Stimme von Iggy zusagen, die auf dem Album wie ein eigenes Instrument wirkt.
Sonali ist das dritte Lied des Albums und besitzt einen interessanten Rhythmus, der mithilfe schneller Beckenschläge erzeugt wird. Aus der Ferne erklingt die Trompete und auch Iggys Stimme wirkt von Nebel bedeckt, während er von Sonali träumt. Dirty Sanchez beginnt mit wunderbar folkloristischen Trompetenklängen und treibenden Drums. Lyrisch setzt sich das Lied mit Entfremdung und dem Hass auf Online-Pornos auseinander. Ja richtig gelesen. Darauf folgt Glow In The Dark. Seine dunkle Stimme, erst nur untermalt von einem Bass, erzählt von der Kraft der Einsamkeit und wird später von Free-Jazz artigen Melodien abgelöst, die eine angenehm unruhige Atmosphäre schaffen. Schlagzeug, Bass, Gitarre und Trompete harmonisieren und türmen sich auf bis sie wieder zusammenfallen. Es folgt Page. Mit zerbrechlicher, zitternder Stimme zeigt sich Iggy Pop so verletzlich wie noch nie, seine Coolness verliert er dabei jedoch keinesfalls. Mit The Dawn endet das gelungene Album. Er erzählt wie er ungeduldig auf die Dämmerung wartet, denn er kann der Dunkelheit nicht entkommen, egal wie sehr er versucht sich abzulenken.
Das Album wirkt wie eine schlaflose Nacht voller Gedankengänge und Emotionen, Ideen und Ängsten. Iggy Pop lässt andere Künstler für sich sprechen, leiht ihnen jedoch seine Stimme. Verzwickte Gedankengänge eröffnen sich uns und im Zentrum seine Selbstanalyse zum Thema Freiheit. Jahre lang hat er das Gefühl von Freiheit über Liebe und Zufriedenheit gestellt. Dabei kommt die altbekannte Frage auf, was Freiheit überhaupt bedeutet. Ist es nur ein Gefühl, zu dem man sich entscheiden kann? Ist es ein Zustand, der erst erreicht ist, wenn man sich lossagt und nichts mehr zu verlieren hat? Eine endgültige Antwort scheint uns auch Iggy nicht geben zu können – aber dafür ein großartiges Album mit vielen Denkanstößen.
Iggy Pop – Free
VÖ: 6. September 2019, Caroline
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