Foto-Credit ©Samuel Petersson
“All I wanna do is
Fly away
Show me who you are
Singing out of joy
Out of pain, out of love
Grow
Keep holding on to a dream
Just a bit too long”
(sir Was – Fly Away)
Im Jahr 2002 regierte George W. Bush die USA, Star Wars: Episode II kam in die Kinos und in Schweden begann der junge Joel Wästberg damit, eigene Musik zu schreiben. Es sollten nicht weniger als fünfzehn Jahre vergehen, bis Wästberg – inzwischen studierter Jazz-Saxophonist sowie gestandener Tour- und Studiomusiker (unter anderem für José González‘ Band Junip) – sein Solo-Debüt Digging A Tunnel veröffentlichte. Unschlüssig über das Urteil anderer hatte er seine Songs unter Verschluss gehalten, an ihnen gearbeitet, neue Einflüsse eingebaut und doch beinahe aufgegeben, wie er 2017 in einem Interview dem Dlf Kultur gestand. Heraus kam unter dem Alter ego sir Was ein überraschend eingängiger Stilmix, in dem Jazz, Hip-Hop, Folk und Indie in einer verträumten Lo-Fi-Produktion miteinander verschmolzen. Der lang erwartete Schritt an die Öffentlichkeit, er hatte sich ausgezahlt.
Folgerichtig trägt der nun vergleichsweise zügig erschienene Nachfolger den Namen Holding On To A Dream. Ein Traum, erstmals zurückgezogen auf dem Land produziert, in dem Wästberg seiner eigenwilligen Grundstruktur ein paar poppige Anbauten verpasst. Schwebt der von schweren Drums getragene Einstieg Fly Away noch langsam nach oben, klettert No Giving Up nach einem verträumten Intro mit groovigem Bass und klingelndem Glockenspiel von Wolke zu Wolke. Rhodes-Piano, Synthesizer, funky Gitarreneinsprengsel – der Sound geht in die Breite, ohne dass sich die einzelnen Bestandteile aufdrängen. Und driften Gesang und Synthie mittels Delay wie in Deployed mal vollends in die Ferne, verschaffen ihnen ein minimalistischer Klavierlauf und der Gastauftritt von Little Dragon wieder Bodenhaftung. Das Rezept funktioniert ebenso für die Ballade No More Separation, die schließlich von einem aufgeregt blubbernden Synthesizer aufgelockert wird. Über eingängigen Melodien singt Wästberg in seinen Songs dabei von vergangenen Unsicherheiten, vom Festhalten und Loslassen: „This is it / This is all/ We can stand / We can fall“.
Seine stilistische Vielfalt zeigt das Album mal mit ausgetüftelten Hip-Hop-Beats und Soulchören in The Sun Will Shine, mal mit tröpfelndem Rhodes in Somewhere: „Somewhere, someday / we’ll find some peace“. Auch wenn die Lyrics vage bleiben, strotzen sie doch vor zurecht erworbener Zuversicht. Die hintergründige Smoothness lässt jedoch befürchten, das Album könnte schon zur Mitte sein verfrühtes Ende finden. Beinahe scheint es, als versuche sir Was wieder und wieder, das melancholische Outro zu perfektionieren, wenn er auch auf Lean Into This resümiert „This is all we got from now“. Die Songs verfallen bald in tiefen Schlummer, den auch die kopfnickenden Drum-Triplets von Speak Up nur kurz aufhalten können. Erst in den letzten Minuten von Pin Me Down schält sich treibende Percussion aus dem Traumbild, die einen prägenden Südafrika-Aufenthalt Wästbergs in Erinnerung ruft. Doch am Ende rächt sich das zurückhaltende Konzept und es bleibt bei einer bloßen Reminiszenz an ein großes Finale.
Hat sir Was mit seinem Zweitwerk also zu lange am Traum festgehalten? Nicht ganz. Inhaltlich wie musikalisch gereift entzieht er sich auf „Holding On To A Dream“ ein ums andere Mal allen Deutungsversuchen. Dabei ist es jedoch nur ein kleiner Schritt von der Ambiguität zur Unschlüssigkeit, sodass die flüchtigen Eindrücke nach dem Aufwachen schließlich allzu schnell verblassen. Nichtsdestotrotz hat Wästberg nach all den Jahren das geschafft, was er im letzten Song rät: „Go your own way“.
sir Was – Holding On To A Dream
VÖ: 20. September 2019, Memphis Industries
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