Foto-© Cooper Fox
There’s a ferry on the river
Taking me from here to you
And there’s a 15 in the 45
It’s all you need to know
Two dollars ain’t too bad
When you’ve got nowhere to go
But if I keep on thinking how the hell I got here alone
I may never know what could be
And I won’t find out till you drift to me
(Twin Peaks – Ferry Song)
“Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz”. Irgendwo zwischen triumphierenden Bläsersätzen und breitbeinigen Bluesgitarren war er da, dieser Wunsch: Oh Herr, bitte, ein Auto und ein ewiger Highway, Sonnenstand abnehmend, damit ich Twin Peaks in ihren amerikanischen Traum hinterherfahren kann.
Seit ihrem 2012 erschienenen Debüt Sunken, damals noch in Eigenregie im Chicagoer Keller des Bassisten Jack Dolan aufgenommen, war das Quintett wortwörtlich on the road. Nachdem sie sich für den Vorgänger Down in Heaven in die Berge Massachusetts‘ zurückzogen, entstand Lookout Low nun gemeinsam mit dem McCartney-Produzenten Ethan Johns in Wales. Das vierte Studioalbum deutet den langen Weg der früheren Highschool-Freunde an, auf dem sie mittlerweile alle Register des Rock’n’Roll ziehen: Background-Sängerinnen, Bläser, klimperndes Barpiano oder Hammondorgel – das volle Repertoire wird hier aufgefahren.
Zum Einstieg marschieren die Drums und schrammelt die Rhythmusgitarre als würde Sänger Cadien Lake James gleich mit Hendrix fragen wollen: „Are you experienced?“ Doch stattdessen rät sein verträumter Shoegaze-Gesang „Place your worries aside“ und bereitet auf sommerliche Feelgood-Gitarren vor. Nach einer vollen Breitseite der von Keyboarder Colin Crooms arrangierten Horn Section in Laid in Gold zieht sich die Band für das gemütliche Better Than Stoned erstmal auf die Veranda zurück. Als sich jedoch gerade der Gedanke aufdrängt, dass Janis Joplin an den fünf Herren für pomadige Zeilen wie „She made love even better than stoned“ vorbeigebraust wäre, packen die schon für Unfamiliar Sun die Country-Gitarre aus. In diesem wunderbar unaufgeregten Song belässt es Dolan bloß bei einem nuschelnden „Just take it as it comes / Hope it never does“. Von Crooms am Klavier begleitet, tritt er mit einem krächzenden „You and I / waltz along through the pouing rain“ den Beweis an, was abseits von gutgelauntem Powerpop in seiner Band steckt.
Denn seine Stärken entfaltet das Album besonders auf Tracks, in denen die Musiker aus dem Hintergrund heraus aufspielen: Dance Through It springt im dicken Katalog musikalischer Zitate nicht bloß zehn Jahre nach vorne, sondern grooved mit funky Basslinien und Wurlitzer-Solo wie eine lässige Selbstverständlichkeit von Discohit. In Lookout Low schmiegt sich James‘ leicht rauchige Stimme an die Backgroundchöre und tritt im richtigen Moment wieder nach vorne, bevor beide gemeinsam im Sonnenuntergang verschwinden. Vom schunkelnden Ferry Song schließlich tropft das Klavier wie der besungene Whiskey, bis sich die Gruppe zu einem kurzen Finale aus Falsett-Gesang und Fuzzgitarre aufschwingt. Vermeintliches Beiwerk wie dieses zeigt, welche Arbeit und welchen Anspruch die Band in dieses Album gesteckt hat. Ob wie hier in der Tradition von The Band oder im an die Rolling Stones erinnernden Under A Smile – die fünf Herren verstehen sich bestens darauf, nonchalant alle nötigen Elemente zusammenzufügen. Am Schluss schöpfen sie mit Oh Mama noch einmal aus dem Vollen, bevor sie mit dem langsam dahinfließenden Sunken II ihr Werk abrunden.
Die Selbstverständlichkeit, mit denen sich die Lieder der noch immer jungen Gruppe in die Riege der Rock-Standards einreiht, bleibt dabei bemerkenswert. Die fünf präsentieren sich abgeklärt wie nie, ohne die Energie ihres früheren Garagenrocks zu verlieren. Eingängige Melodien, ein Doo-Whoop hier, ein Gitarrensolo da – auch die makellose Produktion läuft und läuft und läuft… beinahe schon zu gut. Erst wenn es ruhiger wird, zeigen Twin Peaks, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte. Es bleibt den HörerInnen überlassen, sich entweder im Sitz zurückzulehnen – oder aber frei nach Frank Zappa zu fragen, ob all diese frisch ausgebuddelten Zitate aus dem Rock’n’Roll-Zirkus inzwischen nicht etwas eigentümlich riechen.
Twin Peaks – Lookout Low
VÖ 13. September 2019, Communion Records
www.twinpeaksdudes.com
www.facebook.com/twinpeaksdudes
Tourdaten:
08.10. Musik & Frieden, Berlin
09.10. Molotow, Hamburg
14.10. MTC, Köln