A WINGED VICTORY FOR THE SULLEN – The Undivided Five


Foto- © Jónatan Grétarsson

Wendung um Wendung nehmen die Spiralen auf Hilma af Klints Gemälden. Ein Bild nach dem anderen schuf die schwedische Künstlerin, deren Wirken erst in den letzten Jahren in den Blick der Öffentlichkeit geriet, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Wer ihre Werke betrachtet, verliert sich schnell in den geometrischen Experimenten und dem spirituell angehauchten Leuchten der Farben.

Die Sogwirkung der Spirale, eine der dominierenden Formen Klints, die sie stets als Symbol für Entwicklung und Fortschritt auffasste, entfaltet sich unweigerlich auch beim Anhören von The Undivided Five. Das Album stellt nach mehreren Auftragsarbeiten für Film, Fernsehen und Bühne erst das zweite Eigenwerk des seit über einem Jahrzehnt aktiven britischen Ambient-Duos A Winged Victory For The Sullen dar. Die Analogie zu Klint kommt dabei nicht von ungefähr, geben Adam Wiltzie und Dustin O’Halloran doch offen zu, für ihr Album von den Arbeiten der abstrakten Pionierin beeinflusst worden zu sein.

So ziehen Streicherflächen behutsam ihre Kreise, begleitet von wohligen Synthesizer-Bässen und gemächlich voranschreitenden, warmen Klavierakkorden. Der Opener Our Lord Debussy ist dabei zugleich eine Verneigung vor dem Komponisten und seiner herausragenden Verwendung pentatonischer, das heißt, fünfgliedriger Tonsysteme. Im steten Rhythmus der Fünf erklingt das Klavier, während sich das Stück durch die Klangwelten schraubt. Allgegenwärtig ist die Zahl auf dem Album: auch Klint fungierte in einem esoterischen Zirkel namens de fem („die Fünf“) als Medium, das den Kontakt in die Sphären des Jenseits anleitete.

Denn eine Spirale lässt sich auch andersherum interpretieren: Nicht nur der Aufstieg verläuft in kreisförmigen, geruhsamen Bahnen: The Slow Descent Has Begun, der langsame Abstieg in die Tiefen hat begonnen, verkünden O’Halloran und Wiltzie noch in der ersten Hälfte des Albums. Eine Aufnahme, geprägt von Abschieden – ob im Privatleben der beiden Künstler oder aus der zehnjährigen Heimatstadt Berlin, die O’Halloran gen Island und zu den britischen KollegInnen vom Label Ninja Tune verlassen hat.

Es sind die feinen Details, die das Album prägen: ein einsames Cello in Adios Florida oder die Synthesizer-Akzente eines The Rhythm Of A Dividing Pair – Fixpunkte, die immer wieder in unterschiedlichem Gewand erscheinen. Nicht weniger als acht quer durch Europa verstreute Aufnahmeorte haben die einzelnen Komponenten hinter sich, was angesichts des durchweg geschlossenen Werks kaum noch spürbar ist. Ein Eindruck, aus dem das gesamte Album seinen Reiz zieht, denn hinter den vermeintlich simplen Akkordfolgen eines festen Regelwerks verbergen sich die Leistungen einer aufwändigen Produktion.

Mit ihrer Symbolik griff Hilma af Klint die Abstraktion in der Malerei noch vor Punkt, Linie und Fläche eines Wassily Kandinsky auf. Obwohl die Kunstwelt noch eifrig debattiert, steht sie damit als einsame Visionärin dar. The Undivided Five zieht die HörerInnen zunächst mit sich, wagt dabei jedoch keine so kühnen Vorwärtsschritte. Es bleibt die Krux am ausgefeilten Schema, dass sich die große Wirkung zwar verlässlich reproduzieren lässt, die Wege dorthin dabei aber bekannt bleiben. Wohin sie führen, lassen A Winged Victory For A Sullen vorerst noch offen.

A Winged Victory For The Sullen – The Undivided Five
VÖ: 01. November 2019, Ninja Tune
www.facebook.com/awvfts

A Winged Victory For The Sullen Tour:
21.02.2020 Berlin, Funkhaus
24.02.2020 Hamburg, Elbphilharmonie

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