Foto-© Kane Hibberd
Played by the rules
Look where it got me
Stones in my shoes
Are cutting my feet
Oh the way you held me up
I never felt quite good enough
I made it through the year again
With Diet Coke and cigarettes
(Ali Barter – January)
Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum A Suitable Girl veröffentlichte die australische Musikerin Ali Barter am Freitag die Nachfolgeplatte Hello, I’m Doing My Best und legt darauf richtig los. Sie nennt es ein Album voller Liebe: für die Beziehungen, die ihr am meisten Freude geben, für ihren Körper, ihre Instinkte und die Menschen, die ihr nahestehen. Dabei war sie sich nach ihrem ersten Album und dem Erfolg ihrer Musik, die sich durch ihre Mischung aus Grunge- und Alt-Rock-Einflüssen auszeichnet, sicher, nie wieder eine Platte machen zu wollen. Barter zweifelte an ihren Auszeichnungen und lehnte ihre Auftritte und ihre Songs ab. Als dann Ruhe einkehrte, sprudelte es jedoch nur so aus ihr heraus. Auch wenn sie noch nicht genau wusste, was diese Songs für sie bedeuten würden, hat sie die Stücke aufgenommen und sich selbst währenddessen ein bisschen besser kennengelernt: „When we demoed them up, I was like, Oh, there I am. The thing I was pushing against was me.“
Die daraus resultierende Platte besteht aus elf Songs voller ironischer Seitenhiebe, scharfem Witz und brutal ehrlichen Beobachtungen, die zwar süß, aber alle auch mit ordentlich Bums daherkommen. Der 90er-Rock-Sound mit dominantem Schlagzeug und eingängigen Basslinien neben Barters oft schmeichelnden, aber auch kraftvoller Stimme funktioniert erneut, lässt auf Hello, I’m Doing My Best aber mehr Raum für die manchmal düsteren Blicke auf die Vergangenheit der Künstlerin.
Mit ihren verschwommenen Gitarrenriffs geht es in der Single Backseat aber ausnahmsweise um schöne Momente: Der Song erzählt in girl-meets-boy Storytelling von ihrer Begegnung mit Ehemann Oscar Dawson und ist in seiner Unkitischigkeit angeblich ihr allererster Lovesong. Barters Talent, Rock, süßen Pop und dunklen Humor mit schnonungsloser Ehrlichkeit zu mischen, zeigt sich in einem der Highlights der Platte UR A Piece of Shit, wo sie singt: „Put your hands up if your dad had an affair / Put your hands up if your mother never cared / Put your hands up for eating disorders, yeah / Put your hands up if your doctor touched you…”. Ähnliche Power haben auch das verspielte Magoo oder Big Ones, das mit einer rhythmischen Hommage an El Scorcho von Weezer startet. Es scheint, als würde kein schwieriges Thema ausgespart: Der sehr reduzierte Opening-Track Lester handelt von ihrer komplizierten Beziehung zu ihrem verstorbenen Vater, während die Up-Beat-Nummer Cocktail Bar ihr schwieriges Verhältnis zum Alkohol thematisiert. History of Boys ist eine reflektierte Pop-Punk Nummer, bei der es auch um Kontrollverlust geht. Im Gedächtnis bleibt allerdings vor allem einer der wenigen Mid-Tempo-Songs: January klingt zwar edgy, ist aber emotional so klar, dass man fast enttäuscht ist, wenn es am Ende doch noch laut wird.
Hello, I’m Doing my Best ist eine Platte mit starken Chorussen, grungigen Gitarren und jeder Menge Alt-Rock-Anleihen. Trotz der schonungslosen Verarbeitung von Krisen und Unsicherheiten gibt die Platte Energie, statt zu deprimieren. Da verzeiht man auch die manchmal etwas aufgesetzt wirkende Rotzigkeit in der Produktion. Ali Barter hat ein Album geschaffen, das tanzbare Katharsis für richtig schlechte Tage ist. Bittere Pillen mit Zuckerüberzug: Ehrlichkeit tut weh, aber „This girl / These shoes keep walking“ (This Girl)
Ali Barter – Hello, I’m Doing My Best
VÖ: 18. Oktober 2019, PIAS
www.alibartermusic.com
www.facebook.com/alibmusic