LIVING WITH YOURSELF – Kritik

Thank you! Thank you for giving me my old life back…

(Miles – Living With Yourself)

Wenn wir mit uns selbst nicht im Reinen sind, wie sollen wir es dann mit unserer Arbeit, unseren Freunden oder unserer Beziehung sein? Diese Frage ist ein guter Ansatz, sollte sich das Leben wieder mal festgefahren fühlen und nichts scheint zu klappen. Diese Selbstkonfrontation ist es, auf der die Netflix-Serie Living With Yourself von Timothy Greenberg (Idee), Jonathan Dayton (Regie) und Valerie Faris (Regie) aufbaut.

Miles’ (Paul Rudd) Alltag ist öde, langweilig und grau. Egal ob es die Arbeit oder seine Beziehung ist – nichts scheint so richtig zu funktionieren und irgendwie ist der Drive raus. Als Kollege und Kumpel Dan (Desmin Borges) Miles verrät, was ihn wieder auf die Spur gebracht hat, schillern die Augen des Marketingstrategen das erste Mal in der Serie auf. Dans Geheimnis ist ein kleiner, exklusiver Spa, in den Interessierte nur über persönliche Einladung Zutritt erhalten. Der ganze Spaß soll 50.000 Dollar kosten doch Miles muss nicht lange überlegen. Schnell bucht er die Ersparnisse von sich und seiner Frau Kate (Aisling Bea) ab und begibt sich am nächsten Tag zu besagtem Spa. Spätestens als zwei dauergrinsende Angestellte dem leicht verwirrten Miles eine Lachgasmaske in einem ihm bis dato unbekannten Geschäft überziehen wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, das Ganze abzubrechen. Das kleinste, noch so absurd klingende Versprechen nach einem besseren Leben scheint jedoch stärker als die eigene Rationalität zu sein und so lässt sich Miles sedieren. Die Konsequenz seiner Leichtsinnigkeit ist, dass er nicht wieder im Spa aufwacht, sondern in einer Plastiktüte, vergraben mitten im Wald. Beziehungsweise der Miles, den wir schon kennen. Ein zweiter, fröhlicher und charismatischer Miles ist in dem Laden erwacht, nach Hause gefahren und ahnt nichts von dem im Wald liegenden Doppelgänger.

Ab jetzt entwickelt sich Living With Yourself in eine Geschichte mit mehreren Blickwinkeln. Abwechselnd wird gezeigt, wie der Tag des einen oder des anderen Miles verläuft, was sie erleben und wie sie mit der nicht geplanten Situation umgehen. Und wir lernen schnell, dass Perfektion eine Illusion ist. Denn auch der angeblich perfekte Miles kämpft mit existenziellen Sorgen – was ist sein Sinn im Leben, wo will er hin, wie kann er glücklich sein?

Anders, als vielleicht durch den Namen Paul Rudd zu erwarten, ist Living With Yourself eine ernste Auseinandersetzung mit dem Frust, nicht weiterzuwissen. Uns eigentlich als Comedy-Star bekannt schafft es Rudd, einen Charakter zu zeichnen, der seine Probleme nicht hinter flachen Witzen versteckt. Es ist das Gefühl, sich selbst im Weg zu stehen, das die Serie durch den Doppelcharakter Miles so facettenreich umreißt. Der Stolz ist es zum Beispiel, der den alten Miles eine wichtige Präsentation vermasseln lässt, weil er dem neuen Miles beweisen möchte, dass er genauso gut ist. Durch die Inszenierung entsteht beim Schauen ein Mitgefühl, das aus der Assoziation mit der gezeigten Schwermut herrührt. Viele von Miles Gedanken sind uns auch schon mal durch den Kopf gegangen und wir wissen wenigstens teilweise, wie es ihm geht. Gerade zur dunklen Jahreszeit, in der viele Menschen melancholische Gedanken bekommen, passt diese Serie. Sie fordert uns heraus, einen Blick nach innen zu werfen und unsere Probleme selbst in die Hand zu nehmen.

Living With Yourself (USA 2019)
Idee: Timothy Greenberg
Darsteller: Paul Rudd, Aisling Bea, Alia Shawkat, Desmin Borges, Karen Pittman, Zoe Chao
VÖ: 18. Oktober, Netflix

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Julius Tamm

Hat irgendwas mit Medien studiert, schaut gerne Filme und schreibt auch noch drüber. Autor bei bedroomdisco, FRIZZ Darmstadt, hr-iNFO Online und hessenschau Social Media.

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