I’ll see you on the stage tonight
Breaking hearts and changing lives
You were always good at changing mine
At the opera house in the pale blue light
‘Cause I know it hurts to close your eyes
So I’d rather you just watch me die
And I know you must be terrified
Just stare into my dying eyes
This time
(Surf Curse – Opera)
Wer nach den Anfängen des US-amerikanischen Post-Punk-Duos Surf Curse sucht, der stößt auf zwei Videos aus dem Jahr 2014. Das erste, beinahe auf den Tag genau vor fünf Jahren veröffentlicht, zeigt Sänger Nick Rattigan aka Current Joys alleine auf einer Parkbank. In der Ferne erheben sich die Wolkenkratzer Los Angeles‘, während Rattigan, damals noch unter dem Namen Tele/Visions, unermüdlich dieselben Seiten seiner Gitarre anschlägt und die gesammelten Leiden eines Zweiundzwanzigjährigen hinauskrächzt. Auf der zweiten Aufnahme sitzen er und Jacob Rubeck, beide frisch aus Nevada an die Westküste gezogen, auf einer Veranda. Rattigan hockt am improvisierten Drumkit, Rubeck lehnt mit der Gitarre am Geländer. Ihr Anblick wirft die Frage auf: Wie bringen die beiden mit solcher Leichtigkeit so traurige Musik hervor?
Dass Surf Curse trotz des gemeinsamen Schwelgens in Schwermut dabei mehr sind als eine mit mehr Drive versehene Version von Current Joys, zeigen sie auch auf ihrem mittlerweile dritten Album Heaven Surrounds You. Eröffnet das Duo in Maps to the Stars noch mit konventioneller Surf-Rock-Melancholie, setzt Disco die Scherben gebrochener Herzen neu zusammen: über einem schimmernden Gitarrenriff jubiliert Rattigan mit überschwappender Euphorie „‘Cause I can’t wait for you“. Ein Stürmer und Dränger auf der Tanzfläche, der nicht über abgeklärten Bassläufe grooved, sondern den die Drums nach vorne preschen lassen: „Admire all of you / But fire burns me too“.
Spätestens in Opera findet der kurze Höhenflug jedoch sein erschüttertes Pendant. Süffige Streicher schallen aus dem Graben, der Parkett und Bühne voneinander scheidet. Die Rollen sind klar verteilt: “I’ll see you on the stage tonight / Breaking hearts and changing lives”. Ob lebensverändernde Begegnungen oder Blicke in sterbende Augen, textlich scheut sich Rattigan nicht vor der großen Geste. Doch ganz gleich wie abgegriffen sie sein mag – wer sich darauf einlässt, den reißt der Strudel des gebrochenen, einförmigen Gesangs hinweg.
Denn in den besten Momenten des Albums schaffen Surf Curse das Kunststück, auch bestens bekannten Bildern – die Songtitel sind allesamt Hollywood-Filmen entlehnt – neues Leben einzuhauchen. Dazu gehören auch Trust, dessen Chöre und Geigen entfernt an die rohe Schönheit der frühen Arcade Fire erinnern, oder die dissonant wummernden Gitarren von Hour of the Wolf, das gemeinsam mit Opera um den Status des düstersten Trennungssongs wetteifert.
Von der Phrase der jugendlichen Ungeduld, die sich das Duo für Nothing Yet und Buds noch nachsagen ließ, müssen sich die HörerInnen dank vereinzelter Hormonschübe wie in „Disco“ noch nicht verabschieden. Weiterhin gilt also die Maxime des Vorgängers: „We’re not 18 anymore / But we’ve still got our habits“. Zu diesen Gewohnheiten zählt jedoch auch, dass der Funke bei dem einen oder anderen Song nicht zünden mag und die Kombination aus großen Worten und eingängigen Riffs in Beliebigkeit verhallt.
Und so feilen Surf Curse auf ihrer kalifornischen Veranda weiter an den Bruchstücken ihrer geschundenen Herzen. Heaven Surrounds You wird wohl nicht der letzte Akt gesitteter Traurigkeit bleiben: “I hope I can still write songs / When my memories are all gone / I hope I can hear you sing when I’m sick of everything / Living on the rivers edge.”
Surf Curse – Heaven Surrounds You
VÖ: 01.11.2019, Danger Collective, Membran
https://www.surfcurse.com
https://www.facebook.com/surfcurseband